Der Kater läßt das Mausen nicht
Bulfinch. »Ich wollte Evelyn
schon fragen, warum es nicht instand gesetzt oder abgerissen wird. Als Sie
Clubhaus sagten, dachte ich an — an irgend etwas Eleganteres. Mein Onkel ist
dort doch nicht etwa getötet worden? Wie ist er denn in das Haus
hineingekommen?«
»Er war Clubmitglied und hatte einen
Schlüssel«, knurrte Ottermole. »Versuchen Sie bloß nicht, mir weiszumachen, daß
Sie nichts von ihm wußten. Er wurde außerdem gar nicht in dem Gebäude getötet,
wie Ihnen ebenfalls sehr wohl bekannt ist.«
»Wenn ich Sie unterbrechen darf,
Ottermole«, murmelte Shandy, »das wissen wir selbst doch noch nicht. Vielleicht
sollten wir mit dem endgültigen Urteil warten, bis wir das Innere des Gebäudes
genau untersucht haben.«
»Ja, und das werden wir so schnell wie
möglich machen. Ich werde das Gebäude schon auf den Kopf stellen.«
Ottermole öffnete wieder wie ein
knallharter Bursche den Reißverschluß seiner Lederjacke, was er seit einiger
Zeit so oft wie möglich übte. Es war inzwischen ganz schön warm geworden in dem
kleinen Zimmer, in dem sich die drei auf engstem Raum zusammengepfercht
befanden. »Okay, Bulfinch, ich möchte, daß Sie mir über jede Sekunde gestern
nacht Rechenschaft ablegen.«
»Lassen Sie mich mal nachdenken: Erst
habe ich hier mit meinen Freunden gegen halb sechs, als Silvesters Dienst zu
Ende war, zu Abend gegessen. Dann haben wir ein bißchen herumgesessen, uns
unterhalten und ferngesehen, bis es für mich Zeit wurde zu gehen. Purvis Mink
hatte vorige Nacht mit mir Dienst, also haben Clarence und er mich abgeholt.
Wir sind zusammen zum Wachgebäude gefahren und haben uns in der Zentrale
eingetragen; dann haben Purve und ich unsere Schlüssel für die Stechuhren und
die Routen für die Nacht bekommen. Sie müssen nämlich wissen, daß wir nicht
immer dieselbe Route haben. Jede Nacht gehen wir den Campus auf einem anderen
Weg ab. Das machen wir deshalb, falls mal jemand auf die glorreiche Idee kommen
sollte, dem Wachpersonal nachzugehen, um unsere Route kennenzulernen, aber der
würde schon in der nächsten Nacht eine böse Überraschung erleben. Silvester
sagt, Clarence hat die Methode erfunden, Clarence sagt, es war Silvester.
Jedenfalls bekommen wir jedesmal eine andere Nummer — wir kennen also unseren
Weg selbst erst unmittelbar, bevor wir losgehen.«
»Okay, welche Route hatten Sie also
letzte Nacht?«
»Nummer drei. Das ist hauptsächlich der
hintere Teil des Campus, hinten bei den Scheunen und am Kraftwerk.«
»Also kurz gesagt, der Teil, der am
weitesten von der Innenstadt entfernt ist«, sagte Shandy.
»Richtig. Wissen Sie, wir müssen
ungefähr alle 500 Meter pünktlich an den Stechuhren sein. Sie haben die Dinger
sicher schon gesehen, es sind diese kleinen blauen gußeisernen Kästen, die dort
überall herumstehen. Wenn wir nicht pünktlich schließen, erhalten die in der
Zentrale ein Signal, und derjenige, der gerade Dienst hat, versucht uns mit dem
Walkie-talkie zu erreichen. Wenn das nicht klappt, weiß er genau, welchem
Kasten wir am nächsten sein sollten, und er kommt hin, um nachzusehen, was los
ist. Ich sage nicht, daß ich mich nicht etwa auf einem Fahrrad hätte
davonstehlen können, das heißt, wenn ich eins gehabt hätte, und irgendwo gut
drei Kilometer von dem Ort, an dem ich mich eigentlich hätte befinden sollen,
einen Mord hätte begehen und wieder rechtzeitig zurück bei der Stechuhr hätte
sein können, doch zu Fuß wäre das ganz schön schwierig gewesen.«
Ottermole begann einen Satz mit
»Clarence hätte Sie vielleicht decken —«, brach jedoch wieder ab. Clarence
Lomax hätte nicht einmal seinen eigenen Bruder gedeckt, auch nicht seine eigene
Mutter oder den Erzengel Gabriel, ganz zu schweigen von Alonzo Bulfinch.
Der Polizeichef versuchte verzweifelt,
den Satz irgendwie zu beenden, ohne sich völlig lächerlich zu machen, als
plötzlich die Eingangstür aufgerissen wurde und jemand in großer Aufregung ins
Haus stürmte. »Ma! Ma, bist du zu Hause?«
»Entschuldigen Sie mich bitte, aber ich
sehe besser mal nach, wer das ist«, sagte Bulfinch.
Aber Ottermole war schneller als er.
»Hallo, was ist denn da unten los?«
»Oh, Fred!« rief eine verzweifelte
Frauenstimme. »Was bin ich froh, Sie zu sehen! Aber was machen Sie denn hier um
diese Zeit? Ist mit meiner Familie irgend etwas passiert?«
»Nein, Ihre Mutter ist nur eben zur
Kirche gegangen.«
»Und wo ist Pa?«
»Arbeitet wahrscheinlich. Was ist denn
los, Mary
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