Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
selbst galt, nicht aber für den anderen, war ein Geheimnis, das sich nur den Eingeweihten erschloss.
»Na los, Jungs, bewegt euch!«, musste ich sie erneut auffordern, bevor sie grummelnd nach hinten krochen. Ich öffnete die Beifahrertür, und Laura stieg ein.
»Guten Morgen, Dr. Cathcart«, grüßte ich steif.
»Oh, guten Morgen, Sergeant Duffy«, erwiderte sie. »Wo geht’s hin?«
»Boneybefore.«
»Mach doch mal das Radio an«, sagte Crabbie von hinten.
Ich stellte Downtown Radio ein, aber die waren wohl Teil einer Verschwörung, die Juice Newton zur Millionärin machen wollte. Ich wechselte zu Radio 1, und wir hörten Spandau Ballet, während ich über den Marine Highway und die Larne Road fuhr.
»Gefällt Ihnen Spandau Ballet, Dr. Cathcart?«, fragte Matty von hinten.
»Die kenn ich eigentlich noch gar nicht«, antwortete sie.
»Der neueste Schrei. Was ist mit dir, Sean, gefällt dir das?«
Ich suchte nach einer klugen Antwort, und nach kurzem Nachdenken meinte ich: »Spandau Ballet ist für die Popmusik was die Kreide-Tertiär-Grenze für die Dinosauriermusik ist.«
Eisige Stille. Niemand lachte.
»Bin ich eigentlich der Einzige hier, der den New Scientist liest?«, fragte ich.
Offensichtlich. Von da an hielt ich die Klappe. Boneybefore. Ein Dorf, das irgendwann in den Fünfzigern von Carrickfergus verschluckt worden war. Ein weißes, reetgedecktes Landhaus fast am Ufer des Lough. Ein weiterer mir unbekannter junger Reservepolizist stand neben der Tür.
Ich parkte den Land Rover, und wir stiegen aus.
»Wie sind die Fakten, Constable?«, fragte ich den Reservisten.
»Dem Postboten fiel bei seinem zweiten Rundgang heute auf, dass die Tür offen stand. Er hat sie aufgedrückt und die Leiche gefunden. Dann hat er bei uns angerufen.«
»Hat irgendjemand etwas angefasst?«
»Nein. Ich habe nur einen kurzen Blick riskiert.«
»Was haben Sie gesehen?«
»Mir ist aufgefallen, dass das Opfer niedergeschossen worden ist und ihm eine Hand fehlt; dann habe ich Crabbie angerufen.«
Ich streifte Latexhandschuhe über und betrat das Haus.
Dem Opfer war in den Kopf geschossen worden, wahrscheinlich, als er die Haustür öffnete, denn er lag noch im Flur. Es handelte sich um einen dürren, gepflegten grauhaarigen Mann in Hemdsärmeln, schwarzer Tweedhose und Hausschuhen. Die Hand war ihm abgetrennt worden, die unseres Unbekannten – höchstwahrscheinlich – war ihm beinah nachlässig auf die Brust geworfen worden.
Auf der Kommode fand ich eine Brieftasche und konnte schnell klären, dass es sich bei dem Opfer um einen gewissenAndrew Young handelte, einen sechzig Jahre alten Musiklehrer an der Carrickfergus Grammar School.
Das Haus war nicht angerührt worden. Der Mörder war nur hereingekommen, um Young zu erschießen und ihm die rechte Hand abzuschneiden. Wir führten eine gründliche Untersuchung durch, aber Matty pflichtete mir bei, dass der Mörder den Rest des Hauses nicht mal betreten hatte.
»Todeszeitpunkt?«, fragte ich Laura.
»Er ist seit etwa vierzig Stunden tot«, sagte sie, nachdem sie die Leiche begutachtet hatte.
»Und wen hat er als Ersten umgebracht?«, hakte ich nach.
»Aus dem Stegreif würde ich sagen, er hat den Mann im Wagen als Ersten umgebracht. Aber nur wenige Stunden früher«, erklärte Laura.
Matty machte Fotos und suchte nach Fingerabdrücken. Laura besah sich die Leiche.
McCrabban packte mich am Ärmel. »Kann ich dich mal draußen sprechen, Sean?«, drängte er.
Wir traten hinaus in einen salzigen Wind, der vom Lough hereinkam.
»Was denn, Crabbie?«
»Ich kenne den Mann, Sean. Er leitet das Carrick Festival. Er ist Schulleiter. Hat schon Princess Anne getroffen. Vorbildlicher Bürger und alles. Aber …«
»Aber was?«
»Wie ich schon sagte, anständiger Kerl und alles, aber er ist als Schwuchtel bekannt.«
»Bist du sicher?«
»So sicher wie das Amen in der Kirche.«
Ich verstand sofort, worauf er hinauswollte. »Also, was glaubst du, haben wir hier, Crabbie? Geht jemand rum und bringt Schwule um?«
Crabbie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber es sieht ganz danach aus, oder?«
»Und dann ist da wieder die verdammte Musik.«
Crabbie nickte und stopfte sich die Pfeife.
Natürlich war Homosexualität in Nordirland verboten, aber das bedeutete nicht, dass es keine Homosexuellen gab. Jeder kannte doch irgendjemanden …
»Verlier im Augenblick kein Wort darüber, wir wickeln das ganz nach Schema F ab«, ermahnte ich ihn.
Wir gingen hinein.
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