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Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Titel: Der katholische Bulle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian McKinty
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und ging weiter.
    Er schubste mich, ich stolperte, kam aber schnell genug wieder auf die Füße, um zu sehen, wie er ausholte. Mrs Bridewell und Mrs Campbell schrien beide auf.
    »Passen Sie auf, Mr Duffy!«, kreischte Mrs Campbell und hielt sich die Hand vor die Kehle.
    Ein paar Leute drehten sich um. Der Schwinger zog einen schmerzhaft langsamen Bogen zwischen uns beiden. Er verfehlte mich um zwanzig Zentimeter, ohne dass ich selbst etwas tun musste.
    »Was ist das Problem, Kumpel?«, fragte ich.
    »Was ist mit all den Leuten im Peacock Room, du verdammter katholischer Mistkerl, was hatten die für ne Chance, du beschissenes Stück Dreck!«, sagte der Kerl, holte wieder aus und verfehlte mich erneut. Reden und boxen waren nicht seine Stärken.
    »Geh nach Hause, Kumpel«, sagte ich zu ihm.
    »Bin nich dein Kumpel. Ihr katholischen Mistkerle habt die Leute umgebracht, und wofür? Wegen mir könnt ihr alle in Hungerstreik gehen. Verhungert doch alle! Wir hätten euch alle schon in der verdammten Hungersnot krepieren lassen sollen!«
    Wer immer der Kerl auch war, er war wütend und betrunken, und es hatte keinen Zweck, mich mit einem Besoffenen zu streiten oder mit ihm zu kämpfen.
    Der Kerl griff in die Tasche und fuchtelte mit irgendetwas herum.
    »O mein Gott, er hat ein Messer! Oh, Mr Duffy, passen Sie auf!«, rief Mrs Campbell.
    Es handelte sich um ein handelsübliches Schnappmesser mit einem Knopf am Griff, aber der Kerl war so dicht, dass er Schwierigkeiten damit hatte, die Klinge herausspringen zu lassen.
    »Sie erlauben«, sagte ich, schnappte mir das Messer und drückte auf den Knopf. »Gesehen?«, sagte ich, fuhr die Klinge wieder ein und gab ihm das Messer zurück. Das, wurde mir später klar, war mein Fehler gewesen. Ich hatte ihn gedemütigt.
    Der Kerl war ein Freund von Bobby Cameron und hatte ihn gerade besucht, und nun hielt Bobby es für seine Pflicht, sich einzumischen.
    Bobby wohnte sechs Türen weiter in derselben Reihenhauszeile wie ich. Wir hatten noch nie miteinander gesprochen, aber ich wusste natürlich, wer er war. Mittelgroß, untersetzt, rote Haare, 28. Seine Frau schnitt einem in ihrer Küche für zwei Pfund die Haare. Bobby lebte von der Stütze, Langzeitarbeitsloser, aber er war auch Bezirksoffizier derUlster Freedom Fighters, einer Splittergruppe der UDA, eine der brutaleren protestantischen Terrorgruppen; er gehörte zu jenen, die einen mir nichts, dir nichts umbringen konnten, was er aber in der Praxis nicht tun würde, denn Polizistenmord – selbst wenn es sich um einen katholischen Polizisten handelte – würde zu Streitigkeiten mit allen anderen loyalistischen Fraktionen in Carrick führen. Strategisch betrachtet wäre so etwas schlecht, aber natürlich dachten nur wenige Loyalisten jemals strategisch. (Irgendwo in Belfast gab es ein IRA-Graffiti, bei dem ich jedes Mal grinsen musste: »Die IRA denkt, die UDA trinkt.«)
    »Ich bring ihn um!«, verkündete der große Kerl, der noch immer mit seinem Schnappmesser herumfummelte.
    Bobby sah mich an. Er runzelte die Stirn, und in seinen Augen lag dieses dunkle Licht, das in den Augen all derer in Belfast zu strahlen schien, die schon mal ein, zwei Leute umgebracht hatten.
    Die Menschenmenge umringte uns.
    »Sie sollten Ihren Kumpel nach Hause bringen«, sagte ich leise zu Bobby.
    »Wollen Sie mir etwa sagen, was ich zu tun habe?«, fragte Bobby.
    Die halbe Straße schaute zu, auch die verdammten Feuerwehrleute, die nichts unternahmen.
    »Nein, Bobby, ich bitte Sie darum, ihn nach Hause zu bringen«, entgegnete ich.
    Bobby starrte mich zehn Sekunden lang an und schien sich dann entschieden zu haben. »Die Party ist aus!«, sagte er, und die Menge zerstreute sich nach und nach.
    Er packte seinen Kumpel am Arm, steckte das Messer ein und führte ihn davon. Dann drehte er sich zu mir um, grinste und drohte mir mit dem Finger, als wenn er sagen wollte: »Du bist zwar Bulle, aber vergiss nicht, wem die Straße gehört.«
    Ich ging ins Haus, war unzufrieden und verärgert. Es regnete wieder. Ich hockte im kalten Wohnzimmer und brütete vor mich hin, bis ich mir schließlich einen Mantel schnappte und wieder hinausging. Ich ging nach links, weg von den Schaumresten und den letzten paar Damen, die Rothmans qualmten und über die Feuerwehrleute schwatzten.
    Ich kam an einer Häuserzeile vorbei, an deren Stirnseite ein neues, plumpes Wandbild gemalt worden war – ein bewaffneter Mann mit Skimaske neben einem Kind mit einem Fußball. Darunter

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