Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
schaltete das Radio ein und fand das Interview.
Adams: »Die Forderungen der Hungerstreikenden sind doch klar nachvollziehbar. Sie möchten ihre eigene Kleidung tragen, sie wollen als politische Gefangene behandelt werden, sie wollen das Recht haben, darüber zu entscheiden, ob sie im Gefängnis arbeiten oder nicht. Sie wollen Zugang zu Lehrmaterial. Wir verstehen nicht, warum die Regierung von Mrs Thatcher diese durchaus angemessenen Forderungen nicht akzeptiert. Die ganze Welt versteht nicht, warum sie diese Forderungen nicht akzeptiert.«
BBC: »Nun, das ist ja wohl der entscheidende Punkt, nichtwahr, Mr Adams? Sie würde damit den Forderungen von Terroristen nachgeben.«
Adams: »Des einen Terroristen ist des anderen Freiheitskämpfer. Der gegenwärtige Premierminister Israels ist Menachem Begin, der, wie Sie sich vielleicht erinnern, das King David Hotel in die Luft gejagt hat. Schauen Sie sich Nelson Mandela an. Die ganze Welt verurteilt seine Inhaftierung und …«
BBC: »Der Nordirland-Minister hat erklärt, dass man sich eingehend mit den Forderungen der republikanischen Gefangenen im Maze-Gefängnis beschäftigen wird, sobald der Hungerstreik beendet ist.«
Adams: »Der richtige Augenblick, sich diese Forderungen anzuschauen, ist jetzt, bevor noch weitere Männer sinnlos sterben.«
Ich machte das Radio wieder aus. Dann durchstreifte ich das Revier auf der Suche nach etwas Essbarem. Die einzigen Anwesenden dort waren Ray am Eingangstor, ein Reservist namens Preston und ich.
»Haben Sie ein Sandwich dabei, Preston?«, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf.
»Ich gebe Ihnen fünf Pfund für eine Tüte Chips.«
Er hatte keine. Ich rief ein halbes Dutzend China-Restaurants an, doch alle hatten sonntags geschlossen.
Dann wartete ich neben dem Telefon.
Ich holte das Whiteboard hervor und skizzierte ein Flussdiagramm mit Begriffen wie »homosexuell«, »Dädalus« und »abgetrennte Hände«. Ich zeichnete ein Venn-Diagramm. Ich zeichnete ein Labyrinth.
Mein Magen beschwerte sich.
Der Regen draußen verwandelte sich in Graupel.
Endlich klingelte das Telefon. Ich drückte auf Leitung 1.
»Hallo, ich möchte bitte mit Sergeant Duffy sprechen.« Das war unverkennbar Adams’ Stimme.
»Mr Adams, ich bedaure, Sie darüber informieren zu müssen, dass einer Ihrer Vertrauten, ein gewisser Mr Tommy Little, tot aufgefunden worden ist. Seinen Unterlagen zufolge gibt es keine nächsten Verwandten, deshalb hielten wir es für das Beste, Sie anzurufen.«
»Wie ist er gestorben?«
Ich verriet ihm die Details, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt preisgeben wollten: Tommy war erschossen worden, möglicherweise das Opfer eines Serienmörders, der es auf Homosexuelle abgesehen hatte. Die Dinge, die ich noch nicht preisgeben wollte, behielt ich für mich: die vertauschten Hände, die Noten, die Todesliste, die Postkarte an mich und den anonymen Anruf.
»In Carrickfergus, sagten Sie?«, wollte Adams wissen.
»Ja, Barn Field in Carrickfergus.«
»Was wollte Tommy da?«
»Dort ist er nicht ermordet worden. Er wurde dort nur abgelegt.«
»Und Sie glauben, es handelt sich um einen Mörder, der mehrere Menschen getötet hat? Einen Serienmörder? Bei all dem, was eh schon los ist?«
»Ein günstiger Augenblick, Mr Adams, die Polizei ist eh rund um die Uhr beschäftigt.«
»Da läuft jemand rum und bringt Homosexuelle um?«
»Davon müssen wir ausgehen. Wussten Sie, dass Mr Little homosexuell war?«
»Nun, ähm, wir … wir schnüffeln nicht im Privatleben anderer.«
»Können Sie mir irgendetwas über Mr Littles Gewohnheiten sagen, über seine Bekannten oder …«
»Nein, das kann ich nicht. Vielen Dank, dass Sie sich gemeldet haben, Sergeant Duffy«, sagte Adams und legte auf.
»Das war ein wenig abrupt, nicht wahr, Gerry?«, sagte ich zu mir. Ich zückte mein Notizbuch und schrieb: Adams …Was verschweigt er uns? Nicht, dass ich jemals die Chance bekommen würde, ihn zu befragen.
»Also gut, ich bin weg!«, informierte ich Preston und trug ihm auf, die Stellung zu halten, Sergeant Burke würde um 20 Uhr kommen.
Ich fuhr nach Hause; als ich in die Coronation Road einbog, fiel mir wieder ein, dass ich nichts zum Essen im Kühlschrank hatte, also klingelte ich bei Mrs Bridewell und wollte um eine Dose Suppe und etwas Brot betteln. Mrs Bridewell sah aus wie Joan Bakewell aus dem Fernsehen, die »intellektuelle Sahneschnitte« – kurzer schwarzer Bubikopf, hohe Wangenknochen, blaue Augen. Ihr Mann war von
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