Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
ICI entlassen worden und suchte gerade nach Arbeit, wie die Hälfte der männlichen Bevölkerung.
Mrs Bridewell bat mich, doch mit ihnen zu essen.
»Nein, nein, nur etwas Suppe, wenn Sie welche haben. Die Supermärkte haben alle zu.«
»Na, kommen Sie!«, beharrte sie.
Ich meinte, ich wolle mich nicht aufdrängen, aber sie zog mich in die Wohnung. »Alle Mann an den Tisch!«, verkündete Mr Bridewell mit einem altmodischen, ländlichen Akzent, den man nicht allzu oft zu hören bekam. Alle setzten sich. Es gab noch zwei Kinder und eine Großmutter. Die Oma sah mich an, verzog die leblos blassen Lippen und schüttelte den Kopf. Sie trug ein langes schwarzes Taftkleid, das mit dem Ableben von Queen Mary aus der Mode gekommen sein dürfte.
Wir sprachen ein protestantisches Dankgebet.
Natürlich gab es keinen Wein, dafür aber einen Schmorbraten, Kartoffeln und Möhren-Pastinakenbrei. Ich fragte mich, wie sie sich vom Arbeitslosengeld ein solches Festmahl leisten konnten, aber Mr Bridewell erklärte mir, das Fleisch sei ein Geschenk der EWG und es gäbe reichlich. Ich hatte Bobby Cameron dabei beobachtet, wie er dieses europäischeFleisch verteilt hatte – noch so eine Möglichkeit, um sich als Para bei den Leuten beliebt zu machen.
Als Nachtisch gab es Bread-and-Butter-Pudding mit Custard – klebrig, knusprig, phantastisch.
Nach dem Essen spielte ich gegen den älteren Sohn, Martin, eine Runde Schach und nahm mir vor, so zu verlieren, dass es nicht herablassend wirkte. Das Ganze entwickelte sich für mich allerdings zu einem gewaltigen Tritt in den Hintern, denn Martin beförderte eine wichtige Figur nach der anderen vom Feld und zwang mich zur Aufgabe.
Dann ging ich nach Hause und blätterte durch die neuesten Scheiben meiner Plattensammlung. Was brauchte ich jetzt? Led Zeppelin, Undertones, Clash, Rolling Stones, Deep Purple, AC/DC, Motörhead? Nein, dazu war ich nicht in der Stimmung. Carole King, Joan Baez, Joan Armatrading, Bowie? Ich blätterte weiter und fragte mich, ob Tapestry wohl richtig wäre. Ich legte die Scheibe auf, mixte mir einen Wodka Gimlet und legte mich bei offenem Fenster aufs Sofa.
Carole King sang eine Neuinterpretation ihres Songs »Will You Love Me Tomorrow«, den sie ursprünglich für die Shirelles geschrieben hatte. Ihre Version war besser.
Bobby Cameron hielt mit seinem weißen Transit vor seinem Haus. Als er ausstieg, trug er auf dem Kopf eine zusammengerollte Sturmhaube. Allein dafür hätte ich ihn auf der Stelle festnehmen können. Sein sechster Sinn meldete sich, er merkte, dass ihn jemand beobachtete. Er kontrollierte beide Straßenseiten, suchte die Häuserreihen ab und entdeckte das offene Fenster.
Ich war es nur. Er grüßte mit einem Finger, ich nickte ihm ganz leicht zu.
Ich mixte mir noch einen Drink und schaltete den Fernseher ein. Um elf wurde die Snooker-Übertragung wegen einer Sondermeldung unterbrochen. In ganz Belfast gingen zeitverzögert Bomben hoch, es brannte in der Great VictoriaStreet, am Cornmarket und an der York Road. Die Ladenbesitzer wurden dringend aufgefordert, zu ihren Geschäften zurückzukehren, dienstfreie Feuerwehrleute wurden aufgefordert, sich bei der nächstgelegenen Feuerwache zu melden.
Dann ging das Snooker-Turnier weiter, aber ich bekam nicht mehr mit, wer die Partie gewann, denn pünktlich um Mitternacht ging die Straßenbeleuchtung aus und der Fernseher wurde schwarz.
Die Arbeiter der E-Werke waren wie angekündigt in den Ausstand getreten.
9
DIE VIERTE GEWALT
Sergeant McCallister war ein schroffer, altmodischer Polizist, der mit den neuesten Verfahren zur Spurensicherung und der methodischen Polizeiarbeit nicht vertraut war und den ich deshalb leicht unterschätzte.
Das fiel mir auf, während ich ihn bei der Pressekonferenz beobachtete. Es war meisterhaft. Er ging selbstbewusst auf die Fragen ein und war liebenswürdig, aber entschieden. Er spielte die reißerischen Aspekte des Falls herunter und teilte den Medien lediglich mit, dass wir es mit einer Person zu tun hätten, die bislang zwei der Homosexualität Verdächtige ermordet hätte und damit drohen würde, weitere zu töten. Das sei alles, was wir zum jetzigen Zeitpunkt sagen könnten.
Auf die Frage, woher wir wüssten, dass die beiden Morde von ein und derselben Person verübt worden seien, antwortete er, dass es forensische Ähnlichkeiten und gewisse Merkmale gäbe, die wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht bekanntgeben könnten.
Es war allerdings kaum Presse
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