Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
seit Mozart.«
»Wollen Sie noch den Rest des Berichts lesen?«, fragte Laura.
Das taten wir.
Young war mit einem Schuss in die Stirn hingerichtet worden. Die Kugel hatte ihn sofort getötet. Dann war ihm die Hand abgetrennt und die unseres Unbekannten auf die Brust gelegt worden. Das war alles. Young war sechzig und bei guter Gesundheit gewesen. Er war weder missbraucht noch sonst wie verletzt worden. Das Notenblatt hatte man ihm vor Eintritt der Leichenstarre in die linke Faust gestopft.
»Wie lange, glauben Sie, hat das Ganze gedauert?«, fragte ich Laura. »Sie wissen schon, ihn erschießen, die Hand abtrennen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn man eine Knochensäge dabeihat …«
»Die Tür geht auf, Schalldämpfer, 9-mm, Kopfschuss, der Mörder schließt die Tür, sägt Young die Hand ab, steckt sie ein, stopft ihm die Noten in die andere Hand und verschwindet nach, sagen wir, weniger als fünf Minuten?«
»Schon möglich.«
Ich drehte mich zu Crabbie um. »Ansonsten war das Haus unberührt. Keine Trophäen geklaut, kein Geld, nichts dergleichen.«
»Woran denkst du?«, fragte er.
»Ich glaube, das Ganze spielte sich in großer Eile ab. Erst wurde unser Unbekannter gut vorbereitet umgebracht, dann kam Andrew Young dran. Der Mörder erschoss ihn gleich beim Öffnen der Tür. Es gab keine Unterhaltung, keine Forderung, nichts. Der Mörder wusste, dass er ihn sofort umlegen, ihm die Hand abtrennen und so schnell wie möglich wieder verschwinden musste.«
»Aber warum?«, fragte Laura.
Ich schüttelte den Kopf. »Das weiß ich noch nicht.«
Wir saßen einen Augenblick lang da. Gewitterdonner rollte vom County Down her über den Lough.
Laura schaute entschuldigend und zeigte auf die Uhr. »Ich habe Sonntagsdienst«, sagte sie.
Ich nickte. »Okay, wenden wir uns Lucy zu.«
Ich nahm den zweiten Aktendeckel.
Der erste Schock war das Baby.
»Sind Sie sicher?«, fragte ich.
»Oh ja. Sie hat etwa eine Woche vor ihrem Tod ein Kind zur Welt gebracht. Sieht so aus, als hätte sie das Kind zwei Tage gestillt und dann aufgehört.«
»Ist es gestorben?«, fragte ich.
»Oder hat sie es weggegeben?«, fragte Crabbie.
Laura zuckte mit den Schultern. Das lag außerhalb ihrer Sachkenntnis.
»Wir holen die Hunde und durchforsten Woodburn Forest. Vielleicht wurde das Kind in der Nähe verscharrt«, sagte ich zu Crabbie.
»Und ich klappere die Missionsstationen und Krankenhäuser ab«, fügte McCrabban hinzu.
»Womöglich die bessere Erklärung, warum sie sich umbringt: Geburt, das Kind stirbt …«, grübelte ich.
»Und was dachten Sie, weshalb sie sich umgebracht hat?«, wollte Laura wissen.
»Nun, ihr Ex hat sich letzte Woche dem Hungerstreik angeschlossen; Schuldgefühle oder dergleichen. Das hier ist allerdings viel konkreter.«
»Und wohl auch der Grund, warum sie weggerannt ist! Zu Weihnachten dürfte sie im – was, dritten Monat gewesen sein?«, fragte Crabbie.
»Mit drei Monaten hätte sie was gewusst, aber man hat es vielleicht noch nicht gesehen«, antwortete Laura.
»Schwanger! Na, zumindest in diesem Fall können wir die Akten schließen, was, Sean?«, meinte Crabbie.
Er hatte vollkommen recht. Jeder in Irland kannte das Szenario. Frau wird außerhalb der Ehe schwanger, rennt weg, kriegt das Baby, bringt sich um. Kam ständig vor. Abtreibung war auf beiden Seiten der irischen Grenze illegal. Es gab nur wenige Stellen, an die sich eine Frau wenden konnte. Natürlich lag das bei Lucy ein wenig anders; sie war bereits etwas älter und war schon verheiratet gewesen, aber mit einem Ex in den H-Blocks, einem republikanischen Helden noch dazu, war der Druck mindestens ebenso groß wie bei allen anderen, wenn nicht größer …
Sie fühlte sich wahrscheinlich zu schuldig, um überhaupt noch einen Abschiedsbrief zu schreiben.
Traurig, traurig.
»Meine Herren, ich muss wirklich …«, sagte Laura leise.
»Ja, ja natürlich, Dr. Cathcart. Sonst noch etwas Verdächtiges?«, fragte ich.
»Man hat mir gesagt, dass sie seit Weihnachten vermisst wurde«, fing sie an.
»Das ist richtig«, pflichtete ihr McCrabban bei.
»Hand- und Fußgelenke wiesen keinerlei blaue Flecken auf, es gab keinerlei Anzeichen für Fehlernährung, Folter oder Missbrauch. Ihre Muskeln waren nicht atrophiert, der Vitamin-D-Spiegel war hoch. Soll heißen, sie hat sich gut ernährt und war viel an der Sonne«, erläuterte Laura.
»Sie ist also nicht gefangen gehalten worden«, vermutete Crabbie.
»Ich denke, das kann man
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