Der Katzenelf (German Edition)
MacDerbshire?“ Isa nickte verwundert und die beiden traten ein. „Wir kommen aus Glasgow“, sagte nun der Ältere und nahm seine vom Regen benetzte Brille ab. Er reinigte sie bedächtig und setzte sie wieder auf, dabei sah er nun Isa gerade in die Augen. „Es tut uns leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Großonkel Sir Henry James MacDerbshire, der Bruder ihrer Großmutter vor einiger Zeit verstorben ist. Er hat keine direkten Nachkommen und Sie sind nach Imogen daher die einzige Erbin des gesamten, hier in diesem Lande befindlichen Familienvermögens!“
Isa war benommen und immer noch so erstaunt, dass sie kein Wort sagte und nur mit einer Handbewegung zu den Sitzgelegenheiten beim Kamin hinwies. Die Herren legten ihre durchnässten Mäntel ab und setzen sich. Sie bot ihnen Tee an und eilte in die Küche um sich zu fassen. Sie wusste, dass Imogen aus Schottland stammte, doch ihre Großmutter hatte anscheinend jeden Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen und Isa kannte niemanden ihrer Verwandten aus diesem Land.
Sie trug Tee, Kuchen und eine Platte mit Speck und Bauernbrot, sowie eine Flasche ihres besten Rotweines in das Wohnzimmer und bat die zwei Fremden erst einmal zuzugreifen, was diese auch dankbar machten. Erst als Isa ihnen nach dem Essen nochmals den dunkelroten Wein nachschenkte, zusätzlich noch starken Kaffee servierte und ein paar Zigarren hervorkramte, die Benno bei seinem letzten Besuch bei ihr vergessen hatte, sprachen die Anwälte weiter.
Sie erzählten ihr die Geschichte der Familie MacDerbshire, der außer dem Haus am See und dem dazugehörigen Grundstück, jenes Erbe, das ihr Imogen ja bereits vermacht hatte, noch folgende Liegenschaften gehörten, deren einzige Erbin sie nun durch den Tod von MacDerbshire geworden war: Das zur Zeit verpachtete Jagdschloss und die Quelle unterhalb des Jochs, wo sie damals von Hiva der Schlüsselblumenelfe träumte, dazu auch noch das gesamte Stille Tal hinter dem Buckligen Berg einschließlich des Hohen Berges mit dem Wasserfall. Dazu kam auch noch ein stattlicher Betrag an Barvermögen. Das Schloss in Schottland, die Ländereien und die Tuchfabrik, die im alleinigen Besitz des Verstorbenen waren, hatte der alte Herr seiner Heimatgemeinde und deren Bewohnern in Form einer Stiftung hinterlassen.
Erst als die zwei Schotten wieder den Steig zur Bahn hinaufwanderten, begriff Isa, dass sie plötzlich über Nacht und ohne eigenes Zutun eine der reichsten Frauen dieser Region war. Lange saß sie vor dem prasselnden Kaminfeuer, gedankenverloren ein Weinglas umklammernd und konnte das eben gehörte und Erlebte nicht begreifen. Die zwei Anwälte hatten ihr mitgeteilt, dass das Jagdschloss in dem die zwei seltsamen Frauen wohnten, für zwanzig Jahre vertraglich an eine Immobiliengesellschaft verpachtet war und sie über diese Anlage erst nach Ablauf der Pachtfrist frei verfügen könnte. Alles Übrige jedoch war ihr alleiniger Besitz und sie könne damit machen, was sie wolle. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich, ihre Wangen brannten und sie fühlte sich hilflos und überfordert.
Erst als Prinz von draußen durch seine Katzentüre kroch und schnurrend ihre Beine umschmeichelnd nach Futter verlangte, stand sie auf. Ihr fiel nur ein Mensch ein, der sie nun beraten und ihr helfen konnte. Ihr ehemaliger Geliebter Benno, den sie für einen ausgekochten Geschäftsmann hielt. Sie beschloss ihn schon am nächsten Tag zu einem Gespräch einzuladen und ging kurz vor Mitternacht todmüde zu Bett.
Kaum eingeschlafen träumte Isa.
Sie flog wieder die übliche Route hinauf zum Buckligen Berg, und weiter über das Joch. Und während sie so in der schwarzblau samtigen Nacht dahinschwebte, fiel ihr ein, dass sie jetzt die Besitzerin dieses riesigen Gebietes war.
Das Joch mit der sprudelnden Quelle mit dem weichen, aus Urgestein herausströmenden, köstlichen, klaren Wasser, der Felsen mit der großen Fichte, in dem jetzt Faniris der Baumelf lebte und das dahinter liegende Stille Tal – alles war plötzlich und unerwartet ihr Eigentum! Während sie durch die Nacht glitt und das Stille Tal unter sich sah, überkam sie ein überwältigendes Glücksgefühl, prickelnd spürte sie wie die ganze Gegend hier, jeder Baum, jeder Stein, jede Pflanze, jeder Felsen sie willkommen hieß. Sie fühlte deren Liebe und in ihren Gedanken drückte sie diese Welt unter sich, zärtlich an ihr Herz. Auf einmal sah sie, ausgehend von der Fichte einen hellen Strahl in den dunklen Himmel zucken und
Weitere Kostenlose Bücher