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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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Aufschub.«
    Als Ferdinand Overkamp in die Lange Straße kommt, hört er schon aufgeregte Stimmen. Was ist jetzt schon wieder geschehen?, überlegt er. Es war doch in der Nacht alles ruhig. Kurz vor dem Süder Tor kommt ihm der Stadt-Syndicus Clüsener entgegen und ruft ihm zu: »Am Pulvermagazin liegen zerschmetterte Gebeine. Ganz scheußlich. Zwischen all dem Schutt und der aufgeflogenen Erde von gestern. Blut und Staub. Ekelhaft.«
    »Noch ein Toter?«, fragt Overkamp ungläubig.
    »Ja«, bestätigt Clüsener, »jetzt muss der vermaledeite Buddeus noch mal kommen.«
    »Streiten die Herren immer noch? Wie lange geht das schon so?«, erkundigt sich Ferdinand Overkamp. Es ist überall bekannt, dass Stadt-Syndicus Peter Henrich Clüsener und Stadt-Physicus Dr. Johann Philipp Buddeus um das Erbe ihres gemeinsamen Halbbruders streiten.
    »Wie lange? Zu lange! Aber den Johann Philipp mache ich fertig!«, gibt sich Clüsener kämpferisch. »Zur Gänze!«, ruft er im Weitergehen.
    Der Anblick, der sich Overkamp am Festungswall bietet, ist weit schlimmer, als er es sich vorgestellt hat. Ein Stück Arm mit einer schwarzen, verkohlten Hand. Ein Bein mit einem Stück zerrissener Hose. Etwas weiter auf dem Wall liegt ein Schuh, aus dem noch der Fuß bis zum Knöchel mit weißen Sehnen herausragt. An manch geschützter Stelle sitzen trotz des Regens Fliegen im dunklen Blut. Sie summen und schillern bunt. Für solch einen Anblick finden die beiden Männer, die die Leichenteile bei ihrem Kontrollgang entdeckt haben, keine Worte. Overkamp hebt zum Gruß die Hand. Auch er weiß nichts zu sagen. Der Regen läuft ihm hinten in den Kragen, er ist tropfnass und doch bleibt er bei diesem grausigen Anblick wie betäubt stehen. Hier und da liegt etwas, von dem niemand sagen kann, was es ist. Holz oder Mensch?
    Nach unendlich langen Minuten kommt der Stadt-Physicus Dr. Buddeus. Er nickt den Männern zu, stellt seine Tasche ab und hockt sich neben etwas. Overkamp hat nicht erkannt, dass es der Brustkorb eines Menschen ist. Mit einem Stock dreht Dr. Buddeus diesen um. »Wo ist der Kopf?«, fragt er die beiden Männer. »Habt ihr ihn gesehen?« Tonlos und bleich schütteln sie ihre Häupter. »Overkamp, helfen Sie mir, die Gebeine müssen auf den Karren!«, fordert Dr. Buddeus. »Was machen Sie eigentlich hier, Herr Overkamp? Immer wenn ich komme, sind Sie schon da«, stellt er fest und wendet sich wieder dem Brustkorb zu. Er scheint keine Antwort zu erwarten, doch Overkamp ist die Frage durch Mark und Bein gegangen. Angst beschleicht ihn. »Nun machen Sie schon!«, fährt Dr. Buddeus Overkamp an. »Hier tatenlos stehen und starren hilft nicht. Fassen Sie mit an, Herr Overkamp. Wir müssen alle menschlichen Teile einsammeln. Da vorne der Schuh … Irgendwo muss ja noch einer sein. Zählen Sie mit, damit wir alles haben. Sonst fressen es die Hunde. Zwei Beine, zwei Füße, zwei Arme, zwei Hände. Sie wissen schon.« Dr. Buddeus nimmt den Arm, an dem die verkohlte Hand hängt, und wirft ihn in den Karren. Overkamp verzieht angewidert sein Gesicht. Ein Schauer läuft ihm über den Rücken. Dann nimmt er das Beinstück, legt es vorsichtig in den Karren und wendet sich schnell ab. Nach und nach sammeln sie die Körperteile ein und bringen sie zur Soeststraße in Dr. Buddeus’ Behandlungsraum.
    Die beiden anderen Männer, die die Leichenteile entdeckt haben, sind wortlos verschwunden. In der Stadt finden sie ihre Sprache wieder und erzählen von ihrem Fund. »Warum hat gestern niemand die zweite Leiche gefunden?«, will Metzger Adolph Brülle wissen. »Da waren doch so viele zum Helfen. Und in der Nacht wurde patrouilliert. Gerade dort am Pulvermagazin musste doch aufgepasst werden«, fordert der Metzger. Sein Lehrling nickt zustimmend.
    »Ich glaube, das liegt an dem dichten Rauch, der erst im Verlauf der Nacht etwas abgezogen ist. Noch immer behindert er die Sicht. Bei dem Qualm gestern Abend konnte man kaum die eigene Hand vor Augen sehen, geschweige denn eine entstellte …«, der Mann erschrickt über seinen eigenen Satz und beendet ihn tonlos, »… verkohlte Hand. Überall einzelne Körperteile; der Wall ist voller Blut, in dem die Fliegen sitzen. Es ist widerwärtig. So entsetzlich ekelig.« Sogar dem Metzger, dem der Anblick von Blut und Fleisch vertraut ist, läuft ein Schauer über den Rücken. Sein Lehrling ist ganz bleich geworden, wendet sich ab und geht ins Haus.
    Nach der Untersuchung der Körperteile verfasst der Stadt-Physicus

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