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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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Oliver lachend.
    »Nein, nein. Wenn, dann möchte ich freiwillig mit zu dir kommen. Wir sind schließlich nicht in Rom!«
    »Rom? Italien? Ich kann dir nicht folgen«, gesteht Oliver.
    »Raub der Sabinerinnen«, erklärt Annika. »Rom. Kurz nach seiner Gründung. Es gab zu wenig Frauen, also wurden sie geraubt.«
    »Ach ne, komm lieber freiwillig mit. Das wäre eher nach meinem Geschmack. Die Zeiten haben sich geändert, und wir können froh sein, heute zu leben«, findet Oliver.
    »Das sagst ausgerechnet du? Du bist doch mit deinen Gedanken immer in der Vergangenheit!«, wirft Annika Oliver vor. »Nur wenn ich dich nach dieser ominösen alten Geschichte frage, dann herrscht schweigen.«
    »Heute möchte ich mit dir hier das Konzert genießen!«, beschwichtigt Oliver und ahnt, dass Annika nicht locker lassen wird. ›Luxuslärm‹ finde ich total super – und dich natürlich.«
    Die Newcomerband ›Luxuslärm‹ ist der Top-Act an diesem Abend. Auf dem Rathausplatz tanzen die Menschen dicht an dicht – nach und nach haben viele pinkfarbene Hüte auf. Annika steht dicht vor Oliver, er hat die Arme um sie gelegt. Sie tanzen. Als die Sängerin ›1000 Kilometer bis zum Meer‹ anstimmt, bekommt Oliver einen Anflug von Heimweh und vergräbt sein Gesicht in Annikas braunem Haar. »Ich liebe dich«, sagt er im selben Moment, in dem die Menschenmenge‚ › … bis zum Meer … bis zum Meer  …‹ grölt. Annika tanzt weiter als hätte sie ihn nicht gehört. Erst nach dem Konzert stellt sie Oliver zur Rede.
    »Was genau machst du eigentlich hier in Lippstadt?«, fragt Annika. »Irgendwie kommt mir das alles so seltsam vor. Du gräbst in alten Geschichten … und verlierst kein Wort darüber, warum dich das derart beschäftigt.«
    »Ich kann dir das jetzt nicht erklären«, wehrt Oliver ab, obwohl er ahnt, dass es ein Fehler ist.
    »Das solltest du aber! Du bist komisch. Von dir erzählst du nie etwas. Immer nur Lippstädter Geschichten, früher – heute – früher … Du bist wie besessen!« Annika ist genervt. »Weißt du, du kannst mir nicht einfach sagen, dass du mich liebst. So geht das nicht! Ich weiß nichts von dir. Ich kenne dich eigentlich gar nicht. Wo kommst du her? Warum machst du mit 25 Jahren noch so ein Praktikum? Wozu ist das gut? Warum interessiert dich diese olle Lippstädter Familie? Kannst du mir das sagen?« Annika stehen Tränen in den Augen.
    »Nein, kann ich jetzt nicht. Ich werde es dir erklären. Später. Wenn ich mehr weiß. Wenn ich mir sicher bin. Versprochen. Ich muss mich erst noch um einiges kümmern«, versucht Oliver, sie zu vertrösten, ohne selbst so genau zu wissen, warum er ihr nicht einfach sagt, was er weiß, was er vermutet, was er hofft und was er befürchtet. Das 18. Jahrhundert ist so oder so vorbei. Egal, was damals war, er hat damit nichts zu tun!
    »Gut, wenn du mir nichts sagen willst, dann weiß ich Bescheid«, reagiert Annika wütend. »Ich fahre nach Hause. Bemühe dich nicht, ich finde euren wunderschönen Bahnhof auch alleine. Kümmere du dich um dein Lippstadt, dann machen sie vielleicht auch noch eine Oliver-Thielsen-Bronze-Figur an diesen Bürgerbrunnen.« Enttäuscht löst Annika sich aus der Umarmung und geht. Nach wenigen Schritten ist sie zwischen den vielen Menschen schon nicht mehr zu sehen.
    »Scheiße!«, flucht Oliver und ist mehr auf sich selbst sauer als auf Annika. »Ich bin so ein Idiot!«
    Oliver läuft durch die Lange Straße zum Bahnhof, doch Annika ist nicht zu finden.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, flucht er laut. »Scheiße!«
    Mehrmals versucht Oliver, Annika auf ihrem Handy zu erreichen. Zwei Mal drückt sie ihn weg, dann hat sie das Handy ausgeschaltet: The person you have called is temporarily not available. Funkstille – vorübergehend, hofft Oliver.

15. Mai 2010
    Oliver ist früh aufgestanden , hat das Nötigste gepackt und ist nun auf dem Weg nach Lübeck. Der gestrige Abend war absolut nicht so, wie er es sich gewünscht hatte. Nach dem Lied ›1000 Kilometer bis zum Meer‹ ist alles schiefgelaufen. Er hat Annika verärgert, ja sogar beleidigt, denn weil er ihr nichts hat erzählen wollen, glaubt sie, er würde ihr nicht vertrauen, er hätte Geheimnisse vor ihr. Dabei ist Annika die Einzige, mit der er überhaupt über dieses Thema gesprochen hat. Aber das weiß sie nicht. Oliver muss unbedingt offen mit ihr über alles reden. Über sich, sein Leben und den Grund, warum er in diesen alten Geschichten gräbt.
    In der

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