Der Kaufmann von Lippstadt
so den Preis niedrig halten zu können.
Diedrich Zurhelle macht per Handzeichen auf sein Gebot aufmerksam.
»Wenn Sittrig im letzten Jahr meinte, den Schrank wieder hinzukriegen, kann er das jetzt bestimmt auch noch«, sagt Engerling und bietet.
Ein paar Mal überbieten sich Clüsener und Engerling, dann erhält Clüsener den Zuschlag.
»Glückwunsch«, sagt Amtmann Claudius und überlegt, welche Ziele der junge Zurhelle und Dr. Rose verfolgen. Ihnen scheint es nicht ernst zu sein mit dem Bieten. Ob sie nur die Preise in die Höhe treiben wollen? Ob sie mit Ferdinand Overkamp freundschaftlich verbunden sind? Die Auktion zieht sich über Stunden hin. Mit jedem Zuschlag wird Clüsener überheblicher. Am Ende hat er fast alle Mobilien in seinen Besitz gebracht. Nicht nur den Nussbaumschrank, sondern auch den glänzenden Eichentisch, zwölf barocke Sitzmeubles, dunkelblau und wundervoll bestickt, einen großen Spiegel und sogar das beinahe neue Meißener Porzellan mit kobaldblauem Zwiebelmuster und die geschliffenen Gläser.
»Wenn Ihr Weib erfährt, dass Sie selbst bei einer Auktion ein Schlappschwanz sind, lacht sie noch mehr über Sie, als sie ohnehin schon tut«, stichelt Clüsener, an Engerling gewandt.
»Clüsener!«, warnt Amtmann Claudius.
»Ach, ist doch wahr, da kommt so ein armer Schuster und glaubt, sich hier aufspielen zu können. Als ob er dazugehören würde«, empört sich Clüsener.
»Und Sie gehören dazu?«, hakt Diedrich Zurhelle spitz nach.
Vor Wut ob dieser Unverschämtheit läuft Clüsener wieder rot an, holt tief Luft und will ein Donnerwetter über die Anwesenden niedergehen lassen, als Engerling sich zu Wort meldet.
»Wissen Sie, Herr Stadt-Syndicus Clüsener, es ist ja so, in Kürze wird bestimmt das Overkamp’sche Haus zwangsversteigert. Ich werde dann genügend Geld gespart haben, um mir dieses Haus zu gönnen. Verdient habe ich es ohnehin. Und Sie? Sie sind jetzt pleite und haben kaum noch einen Reichstaler in der Tasche. Jetzt werden diese wunderschönen Mobilien in Ihrer schäbigen Behausung stehen«, provoziert Engerling.
»Sie …, Sie …!«, brüllt Clüsener und weiß vor Zorn nicht, wohin mit sich. Wie konnte ein kleiner Schuster so durchtrieben sein? Das Schlimmste daran ist, dass Engerling recht hat; wenn das Overkamp’sche Haus versteigert wird, dann ohne Clüsener als Bieter. So leid es ihm tut, es wird nicht gehen. Woher soll er so schnell so viel Geld nehmen?
»Meine Herren, bitte, so benehmen Sie sich doch. Wir sind hier nicht auf dem Viehmarkt«, versucht Amtmann Claudius die Anwesenden zu beruhigen.
»Amtmann Claudius, Bürgermeister Kellerhaus, darf ich Sie auf ein Wort unter uns Ehrenmännern bitten?«, fragt Ferdinand Overkamp und weist mit der Hand auf den Nebenraum. Dass er sich selbst als Ehrenmann bezeichnet, kommt ihm falsch vor, nach allem, was geschehen ist.
»Mein lieber Herr Overkamp«, beginnt Bürgermeister Kellerhaus, als er die Tür geschlossen hat. »Was können wir für Sie tun?«
»Ich bitte Sie untertänigst und in aller Form, mir den Erlös aus der heutigen Versteigerung meiner Möbel auszuhändigen. Ich weiß, es ist nicht üblich, aber ich gebe Ihnen mein Wort als Ehrenmann; es ist mir ein großes Anliegen, meine Schulden bei meinen Gläubigern höchst selbst zu begleichen und ein Wort der Entschuldigung zu sprechen. – Bitte!«, fleht Overkamp.
»Amtmann Claudius? Was sagen Sie?«, fragt Kellerhaus. Claudius nickt.
»Gut. Auf Ihr Wort. Sobald wir das Geld haben, komme ich in Ihr Kontor und übergebe Ihnen die Summe. Es ist ja leider nicht so viel, wie ich mir für Sie erhofft habe«, erklärt Kellerhaus beinahe entschuldigend. Es tut ihm so leid, dieses Elend, dessen Ursprung er nicht kennt, mit ansehen zu müssen. Beinahe bricht es ihm das Herz aus Respekt vor den Verdiensten der Familie Overkamp für diese Stadt. Seit Generationen haben die Overkamps in Lippstadt tadellos gelebt. Und jetzt dieser Absturz. Verfall einer Familie.
Ohne ein weiteres Wort der Erklärung oder des Dankes für das ihm entgegengebrachte Vertrauen steht Ferdinand Overkamp auf und verlässt das Rathaus. Seine Kehle fühlt sich an, als schnüre sie sich selbst vor Scham zu, und seine Augen füllen sich mit Tränen. Schleunigst musste er die Amtsstube verlassen, um nicht vor den Anwesenden aus Demütigung und Scham heraus zu weinen. Diesen Triumph gönnt er Caspar Engerling nicht; obwohl er es natürlich weiß, so soll er es doch nicht sehen. Die Möbel
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