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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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darauf gekommen war, medizinische Ingenieurswissenschaften zu studieren, kann er sich selbst nicht mehr erklären. Es kommt ihm alles so fremd vor. So weit weg. Okay, den Bachelor müsste er noch machen; das Studium abbrechen bzw. nicht wieder aufnehmen, kommt nicht infrage. Aber dann? Das muss ich mir gut überlegen!, empfiehlt sich Oliver selbst. Warum habe ich nicht Geschichte oder so studiert, ärgert er sich und findet, Annika hat mit ihrem Studium die richtige Wahl getroffen. Annikas Überlegungen während des Essens sind eher privater Natur. Ob und wenn ja, wie es mit ihr und Oliver weitergehen könnte, fragt sie sich. Fernbeziehung zwischen Lübeck und Paderborn? Das wird schwierig.
    »Wann genau musst du nach Lübeck zurück?«, reißt sie Oliver aus seinen Gedanken.
    »Mein Mietvertrag läuft bis zum 31. Oktober. Aber ich werde schon vorher nach Lübeck zurück müssen, weil die Vorlesungen am 18. beginnen«, erklärt Oliver.
    »Dann bist du gar nicht mehr in Lippstadt, wenn dein Haus frei wird?«, stellt Annika fest.
    »Ach, ich werde es irgendwie einrichten können, dann zu kommen. Ich möchte nicht einen Tag länger warten als nötig. Ich! Will! Da! Rein!«, ruft Oliver und lacht. »Wie es im Overkamp’schen Haus wohl aussieht? In meiner Vorstellung ist alles originalgetreu, 18. Jahrhundert. Aber ich weiß, dass das so nicht sein wird. Schließlich ist es 1985 renoviert worden. Womöglich 80er-Jahre-Chic. – Huuhaa«, lacht Oliver und schüttelt sich. »Alles braun-beige.«
    »Lach nicht. Das ist jetzt wieder in . Retro!«, findet Annika.

    115 Hagemann: Die Festung Lippstadt . 1985. S. 129.
    116 Annika meint: Möller: Alte Nachrichten von Lippstadt . 1788. [1973]
    117 Annika meint: Hagemann: Die Festung Lippstadt . 1985 .
    118 Hochschule Hamm-Lippstadt

15ter September 1765
    Die gnädige Frau gedenkt nicht, einen Sonntagsspaziergang zu machen. Seit der demütigenden Zwangsversteigerung der Möbel im Juni hat sie das Haus nicht verlassen. Es vergingen zuweilen Tage, an denen sie nicht einmal ihr Schlafgemach verließ. Oder nur, um eine Notdurft zu verrichten. Weder Ferdinand Overkamp noch Berta, die alte Magd, können Johanna Overkamp davon überzeugen, ein wenig Nahrung zu sich zu nehmen. Dr. Buddeus’ Visitation lehnt sie ab. »Ich wünsche keine Menschenseele zu sehen«, sagt Johanna Overkamp immer wieder.
    Ferdinand Overkamp nutzt – ganz im Gegensatz zur Gemahlin – jede Gelegenheit, aus dem Haus zu fliehen. Es ist leer geräumt, unrespektabel und ungemütlich. Zwar steht in seinem Kontor noch der Schreibtisch, doch immer, wenn er an diesem sitzt, denkt er an Engerling, der schon alles als das Seinige bezeichnet. Wie oft spielt Overkamp mit dem Seil, mit dem er Caspar Engerling ans Soest Tor zu hängen gedenkt. Die Zeit drängt, denn Justizrat Rose hat längst mit dem Bauen beginnen lassen. Die schweren Flügeltüren des Soest Tors sind bereits ausgehängt – nur der Himmel weiß, wo sie hingekommen sind – und man kann an vielen Stellen am ehemaligen Festungsgürtel aus der Stadt heraus, nicht nur durch die Tore wie bisher.
    Overkamp verlässt bei seinem Spaziergang die Stadt am Cappel Tor. Auch hier ist kein wirkliches Tor mehr, doch der Festungswall ist noch da. Die Ländereien, die im letzten Kriegsjahr enteignet wurden, sind längst an ihre Besitzer zurückgegeben worden. Mehrere Morgen Land hat er dort besessen, aber nur der weit kleinere Teil ist ihm zurückgegeben worden. Der größere Teil war nach und nach in den Ausbau der Festung einbezogen worden. Im April hat es noch geheißen, dass auch die ehemaligen Besitzer der anderen Flächen entschädigt würden, sobald die Zeiten wieder besser seien. Doch nun werden auch diese Flächen durch Generalmajor de Salenmon zum Verkauf angeboten, und die Gelder sollen in die Clevesche Kriegs- und Domänenkasse eingezahlt werden. 119 Overkamp wird leer ausgehen. Er wird nicht entschädigt werden. Das passt zu seinem Pech, das unabänderlich an ihm zu kleben scheint. Wie gut wäre ein Geldsegen! Wie gut hätte er die Ländereien dort gebrauchen können! Er hätte sie gewinnbringend verkaufen können. So wie Justizrat Rose. Der macht dort ein Vermögen mit dem An- und Verkauf von Land. Wenn Rose etwas macht, dann richtig, dann wird es etwas. Warum gelingt mir so etwas nicht mehr?, fragt sich Overkamp, wenn er von solchen Plänen erfährt. Früher wurde alles zu Gold, was Overkamp begann. Ja, früher … Früher war alles besser gewesen. Es

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