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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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blickend, sah er, dass, was immer zunächst an Spuren von Befangenheit in den Zügen zu finden gewesen war, sich in Entschlossenheit verwandelt hatte. In Czands Mundwinkel spielte, als sie ihn ansah, ein feines, zufriedenes Lächeln.
    „Der Feind“, fuhr er fort, „das sind Banden von Suevaren, die mit Raubzügen den Norden dieses Landes terrorisieren, die plündern, morden, brandschatzen, wie Diebesbanden das tun.  
    Aber wir sind die Sechzehnte. Wir sind der Alptraum unserer Feinde.
    Tun wir es: Ziehen wir ihnen entgegen.“  
    Er sah seinen Stabsoffizieren nach, als sie sich umwandten, zum jeweiligen berittenen Trupp ihrer Eskorte schritten. Nur Czand, sah er, zögerte noch. Kudai warf ihm im Fortgehen über die Schulter ein Grinsen zu.  
    Ja, Kleiner, grins du nur. Wir machen das schon. Auch mit nur einem Senphoren. Kein Problem. Auf die gute, alte konventionelle Art. So wie schon immer.
    Sein Blick blieb an Kudai hängen, vage irritiert, auch noch als dieser seinen Kopf abwandte und ging. Wie ein Eisenspan von einem magnetischen Stein wurde sein Blick von Kudais Gesicht aus unaufhaltsam entlang seiner Gestalt tiefer gezogen.
    Was machte Kudai nur da mit den Händen in seinen Taschen? Als spielte er mit etwas, als würfelte er etwas herum. Ein Klappern – jetzt hatte er es deutlich gehört. Er klapperte mit etwas in seinen Taschen.
    Etwas regte sich in seiner Erinnerung, etwas, das schon einmal vage und tastend berührt, aber dennoch darunter noch nicht erwacht war.

    Er schreckte dadurch aus seinen Gedanken auf, dass jemand neben ihn trat. Er blickte auf, es war Czand.
    „Was ist mit dir?“
    „Alles in Ordnung“, antwortete er ihr schnell. „Nur eine vage Idee. Ich brauche nur etwas Ruhe, um das in meinem Kopf klar zu bekommen. Mach du dich nur schon an deine Vorbereitungen. Wir sehen uns noch vor dem Aufbruch.“
    Er sah Czand hinterher. Er sah in der Nähe seine Leibgarde, bemerkte die Soldaten, die darauf warteten den provisorischen Pavillon abzubauen, durch die Anwesenheit ihres Generals aber davon abgehalten wurden.  
    Er trat beiseite, hinein in den trüb und stetig fallenden Regen, der jedoch schon nach Sekunden in den Hintergrund seiner Wahrnehmung zurücksank. Eine tiefe Versunkenheit hatte ihn ergriffen, und wie in Trance suchte er sich die Kante einer Grasnabe, ein paar Büschel nur, die eine Linie formten und begann auf und ab daran entlang zu gehen.
    Ein Klappern, ein Klackern in den Taschen eines Mantels. Ein Klappern von Spielsteinen.
    Die Vikarin hatte es getan. Und es hatte schon damals an etwas in seiner Erinnerung gerührt, auf das er nicht den Finger legen konnte.
    Die Hand von Berunian war in ihre Tasche gefahren, wo sie anscheinend nervös mit irgendetwas herumspielte, umher würfelte. Kudai jetzt kramte bei der Besprechung mit beiden Händen nervös in seinen Taschen.
    Das Klappern von Kenan-Steinen. Das Orakel des Aidiras-Mysteriums.
    Den komplettem Satz der Kenan-Steine bewahrt man in den traditionellen Schatullen auf … Einzelsteine eines bestimmten Wurfs aber … Sitte, sie in seiner Tasche zu bewahren.
    Wie vom Blitz getroffen hielt er in seinem rastlosen hin und her Laufen inne.  
    Es stimmte nicht, nein – er hatte sich geirrt. Er war schon vor seinem Aufenthalt in Idirium und der Ernennung zum General mit der Loge des Einen Weges zusammengetroffen.
    Es war nur schon so lange her, und es war in seiner Erinnerung vergraben gewesen. Als ein anscheinend belangloses Detail.
    Der Mann war genauso verdutzt gewesen wie er und hatte ihn aus großen, weiten Augen in einem schmalen, bleichen und bartlosen Gelehrtengesicht angestarrt. Seine in einer selbstvergessenen Geste befangene Hand war in der Luft erstarrt, die andere wie gelähmt tief in der Tasche seines weiten, weißen Gewandes vergraben geblieben.  
    Der Mann wich instinktiv einen Schritt in den schmalen, halbdunklen Raum zurück, zwischen ausnahmsweise schlanke Pfeiler, kreisförmig um ein Zentrum angeordnet, deren Mittelschäfte wie dünne und langgestreckte hockende Wesen geformt waren, in einer stark abstrahierter Darstellungsweise, derart eigenwillig und verdreht von Standpunkt und Anschauung, dass schon ihr vager Anblick die Nervenenden harpunierte. Zwischen den Pfeilern hindurch sah man im Halbdunkel den Mittelpunkt, die zwei Meter über dem Boden hängende gewölbte Unterseite eines großen Zylinders, der aus der Decke in den Raum hinein ragte. Der Mann war allein. Er öffnete den Mund, wie um nach Worten zu

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