Der Keil des Himmels
Sein Blick bohrte sich fragend in Nadragírs Augen, eine tiefe Dringlichkeit lag darin. Darachel sah Nadragír zögern, erahnte mehr als dass er ihn sah einen Seitenblick unter gesenkten Lidern zu Viankhuan hin. Wahrscheinlich fragte er sich, wie viel vom Stand ihres Wissens er gegenüber der Enthravanin zugeben durfte.
„Ist es das, was diesem Wesen Leben verliehen hat?“, wiederholte Auric hartnäckig seine Frage. Sein Züge zeigten eine Art steinerner Härte, die Darachel bisher an ihm noch nicht gesehen hatte.
„Davon gehen wir aus“, antwortete Nadragír nach einem weiteren Moment des Zögerns.
Auric nickte, so als habe er nur die endgültige Bestätigung für etwas erhalten, was er insgeheim schon längst gewusst hatte. Sein Schultern strafften sich merklich, sein ganzer Körper spannte sich an.
„Entfernt es!“ Die Worte kamen hart und scharf. Seine Auraschichten loderten mit einer kalten, beißenden Flamme. „Reisst es aus diesem Körper raus! Zerstört es, wenn ihr könnt.“
Er sah wie die Blicke von Nadragír und Siganche – genau wie wahrscheinlich der seine – sich entgeistert in Auric bohrten.
„Aber er ist tot“, fuhr Nadragír verdutzt auf. „Diesen Körper kann nichts mehr beleben.“
Auric verharrte nur in seiner Starre, mit angespannten Gliedern; sein Blick bohrte sich in den sezierten Körper der Kreatur, ließ nicht von ihm ab, schwankte keine Sekunde.
„Entfernt es!“ Er wiederholte es nur mit steinerner Miene, sein Blick blieb auf die Kreatur gerichtet. Dann, abrupt, wandte er sich auf dem Laufgang um und ging zur abwärts führenden Treppe.
Darachel und die Zurückgebliebenen schauten einander betroffen und verblüfft an. Dann wandten auch sie sich um, ihm zu folgen und ließen nur Nadragír alleine mit dem Körper des Kunaimra zurück.
Im Labyrinth der Macht
„Und sie sind sicher, dass drei der Angreifer Quâ-tsunja waren?“
Der Fragesteller trug die gleiche dunkelgraue Kutte in elegantem, stilsicherem Schnitt wie auch schon der dritte Anwesende bei seinem Gesprächs mit Heerespräfekt Makuvan, als dieser ihm das Angebot einer Beförderung in das Generalsamt unterbreitet hatte. Natürlich konnte Auric sich dessen nicht sicher sein – so wie das Gesicht seines Gegenübers vollständig in den Schatten der weit vorgezogenen Kapuze lag, zusätzlich noch von einer eher ahnbaren als sichtbaren Maske bedeckt; so wie die ganze Kluft seiner Organisation ihn als individuelle Person unkenntlich machte –, aber irgendetwas, ob nun Stimme, Haltung oder Statur, etwas Subtiles im Gehabe, in der Art seiner sparsamen Gesten, ließ ihn vermuten, dass dieser Angehörige der Kutte, der hier vor ihm saß, genau der gleiche war wie derjenige, der ihn damals bei jenem Gespräch mit Makuvan so hart ins Verhör genommen hatte, nur um ihm schließlich beim Herausgehen jene geheimnisvollen, vertraulichen Worte zuzuflüstern.
„Sicher, wie sollte ich das sein? Es deutet vieles darauf hin, dass es Quâ-tsunja waren.“
Die Kutte saß ihm in dem spärlich beleuchteten Raum gegenüber, eingerahmt von einem Fenster, durch das von der Straße her der Schein einer Laterne fiel. Vor dem helleren Hintergrund dieses Gegenlichts wurde das Erkennen charakteristischer Merkmale noch zusätzlich erschwert, doch Auric war sich sicher, dass er diesen Mann, so wie er da in der grauen Tracht der idirischen Geheimorganisation vor ihm saß, bereits kannte. „Es war für mich offensichtlich, dass die drei eine spezielle Kampfausbildung hatten, etwas, das über das hinausging, was man bei der Armee oder sonst wo, wo normalerweise Waffenhandwerk gelehrt wird, an Fähigkeiten und Techniken erwerben kann. Ihr Gesichtsschnitt und ihre Hautfarbe könnten auf die Region der südöstlichen Binnenmeere hindeuten. Das würde passen. Ich weiss, man erzählt auch von anderen Schulen geheimer Kampflehren –Gijikainen, Iljinko, Khiochan oder Baottiste, wie auch immer man sie nennt –, aber alles schien hier doch stark auf den Quâ-tsun-Orden hinzudeuten. Ob diese drei, die anscheinend die Attentäter anführten, wirklich vollwertige Mitglieder des Ordens waren, möchte ich bezweifeln, aber – ob Quâ-tsun oder was auch immer – diese drei hatten zumindest eine bruchstückhafte Ausbildung in einer der esoterischen Kampfschulen hinter sich.“
Die Kutte vor ihm saß einen Moment schweigend da, bevor sie zu einer Erwiderung anhob.
„Die restlichen zwei dieser Leute scheinen in der Verwirrung des
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