Der Keil des Himmels
Kampfes nach dem Eintreffen ihres Rettungstrupps aus Mitgliedern der Sechzehnten entkommen zu sein. Den am Kampfort Zurückgebliebenen können wir nicht mehr befragen; er ist tot. Ihm scheint seine Kampfausbildung im Zweikampf gegen Sie wenig genutzt zu haben.“
Er glaubte zu spüren, wie sich die Blicke der Kutte neugierig und herausfordernd in ihn bohrten.
„Einen zweiten dürfte ich im Kampf nach der Explosion ebenfalls schwer, wenn nicht tödlich verletzt haben. Darum glaube ich eben, dass ihre Ausbildung nur bruchstückhaft war“, erwiderte er daraufhin. „Dass es sich vielleicht um Abtrünnige handelt, die ihre Dienste aufgrund des sagenumwobenen Rufes des Ordens jetzt teuer verkaufen.“
„Sie haben Recht. Einiges spricht für Quâ-tsunja: die Hautfarbe der Gesichtsschnitt deuten auf eine Herkunft aus der passenden Region hin“, stimmte die Kutte zu. „Nur eines will nicht ganz in das Profil passen, dass wir von diesem Kampforden haben: die Bewaffnung. Zwei kurze und dazu gerade Klingen ist für Kämpfer der Quâ-tsunja eher außergewöhnlich.“
Für einen Moment ergriff Auric erneut das Eigentümliche dieser Situation. Ich sitze hier mit einer Kutte in diesem Raum, und wir reden ruhig und nüchtern miteinander, als wäre es das Normalste der Welt. Dabei haftete diesem Gespräch in dieser Umgebung andererseits etwas so Unwirkliches, Surreales an. Es lag nicht an dem Raum an sich; der war nur dadurch auffällig, dass er zwar geräumig war, doch außergewöhnlich karg eingerichtet. Es war der Bruch, der durch den Bezugsrahmen dieser Örtlichkeit und die ganzen Begleitumstände lief. Als sei ich plötzlich aus der realen Welt herausgezogen und an einen ruhigeren, klareren Ort geschafft worden. Irgendwo hinter den Kulissen, irgendwo hinter Fassaden, auf die man sonst nichtsahnend starrt, hinter denen kühlere, bedeutungsschwerere Abläufe vor sich gehen, von wo aus er jetzt, wenn er ans Fenster treten würde, hinausblicken konnte auf das herkömmliche Getümmel der Getriebenen und Uneingeweihten dort draußen, in dem auch er selber sich an jedem anderen Tag seines Lebens verlor.
Es war die Art, wie er an diesen Ort gelangt war.
Nach den ersten Hafenarbeitern und anderen Neugierigen, die sich, alarmiert durch den Lärm des Kampfes und der Explosion, das Feuer und den Rauch, bei der Diaphanum-Manufaktur einfanden, war schon bald die Reichsgarde am Ort des Kampfes erschienen. Sie hatten, nachdem sie das Maß der Zerstörung und die Toten gesehen hatten, sofort angefangen diejenigen zu befragen, die sie dort antrafen und die Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen. Doch dann waren plötzlich aus heiterem Himmel Angehörige der Kutte aufgetaucht. Wie Geister in ihren langen, alles verhüllenden grauen Umhängen waren sie unversehens zwischen sich langsam auflösenden Rauchfahnen und glimmenden Trümmern hindurchgewandert, und niemand wusste, wer sie verständigt hatte oder wie sie sonst von den Hintergründen erfahren haben konnten, die diesen Vorfall für sie von Interesse machten. Sie schienen bereits mehr zu wissen als der verantwortliche Offizier der Reichsgarde, dem sie nach kurzen Gespräch die Leitung der Untersuchung aus der Hand nahmen.
Es ging schließlich um ein Attentat auf einen General der idirischen Armee. Man hatte ihn zwar gerade erst zum General ernannt, aber das erste Ergebnis seiner Beförderung lag bereits vor: dieser Anschlag auf ihn.
In einem geschlossenen grauen, von vier Pferden gezogenem Wagen war er dann, nachdem er fürs erste verarztet worden war, in Begleitung von drei Mitgliedern der Kutte, durch die nächtlichen Straßen Idiriums in Richtung der Altstadt hin gefahren, zunächst entlang der breiten Ausfallstraßen, dann vorbei an beleuchteten Patrizierhäusern und Stadtpalais, durch Teile des Labyrinths alter, verschlungener Gassen, geradewegs zum Herzen der post-klassischen Koneardäischen Altstadt, gewissermaßen einer Stadt in der Stadt. Schließlich war dort der Wagen durch einen dunklen Torbogen gefahren, der fast die ganze Breite eines schmalen, hohen und offensichtlich uralten Gebäudeteiles ausmachte, sein Stein durch den Gang der Zeit fast schwarz gefärbt. Es war unauffällig und leicht zu übersehen, ein übrig gebliebener Anachronismus, eingekeilt zwischen zwei größeren prunkvollen Stadthäusern einer späteren, weniger archaisch anmutenden Epoche. Durch einen langen, lichtlosen Tunnel ging die Fahrt, und nachdem sie schließlich ausgestiegen und weitere
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