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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Kanäle auf. Die Menschen, die Auric durch die von innen durchsichtigen Fenster des Wagens sah, zeigten entsprechend verdrossene Gesichter, die beim Anblick ihres Wagens jedoch einen Zug von Furcht, bei manchen auch von Unmut oder offenem Groll annahmen. Passanten wichen zurück und zogen ihre Kinder beiseite.
    Die Kutte hatte einen unheilvollen Ruf. Und gewiss tat sie nichts daran, ihn zu zerstreuen, denn schließlich war er eines ihrer Werkzeuge.
    Auric blickte durch die Fenster die Reihen der Häuser entlang. Dieser Stadtteil Idiriums war einer der vielen, den er bisher noch nie gesehen hatte. Dies war eines der besseren Viertel, bei dessen Gebäuden sich verschiedene Architekturstile mischten, doch gemeinsam war ihnen allen, dass sie längst vergangenen Epochen Idiriums entstammten. Es gab hier keine Mietskasernen oder andere moderne Bauten. Während sein Blick so an den Fronten dieser Häuser entlang glitt, konnte er sich eines seltsamen Gefühls der Doppelbödigkeit nicht erwehren. Wahrscheinlich würde er nach dem Besuch in den Räumen der Kutte der letzten Nacht, nie mehr einfach nur unschuldig die Fassaden bestimmter Gebäudezüge in Idirium anschauen können. Immer würde er sich fragen, welches geheime Leben hinter diesen Mauern wohl vor sich gehen mochte, für was das äußere Gesicht der Architektur lediglich die Maske bot. Ob jenes Haus dort vielleicht Teil eines verschlungenen, über die Stadt miteinander verbundenen Netzwerks, eines wuchernden arkanen Meta-Gebäudes sei, das sich wie ein unter den Hüllen und Schichten augenscheinlicher Wirklichkeit verborgenes Spinnennetz tief unter der Oberfläche dieser Stadt der Lichter aufspannte.
    Im Vorbeifahren streifte sein Blick eines der Ordenshäuser des Einen Weges, die man überall über die Stadt verteilt fand. Es war ein Gebäude, das selbst innerhalb dieser Umgebung durch sein Alter auffiel, stark gegliedert durch Pfeiler und Architrave, mit altertümlich strengem Zierwerk und mit astrologischen und anderen Symbolen versehen. Es stammte also aus irgendeiner der post-klassischen Periode, er tippte auf die koneardäische, war sich dessen aber nicht ganz sicher. Fast versank es zwischen den es umgebenden Häusern späteren Datums.
    Wenn man solchen – sollte er sie paranoid nennen? – Gedankengängen folgen würde, dann konnte man genauso gut auf die Vorstellung verfallen, dass auch diese Fassade das Ende eines solchen Geflechts verbergen könnte, dass auch die Ordenshäuser des Einen Weges quer über die Stadt durch ein geheimes Netzwerk miteinander verbunden seien, das sich wie ein unglaublich ausgedehnter Bau mit unzähligen verzweigten Tunneln durch den steinernen Leib der reichen Baumasse Idiriums grub.
    Verächtlich stieß er vom Gaumen her schnaubend die Luft hoch, fast nur für ihn selber hörbar, irritiert darüber, wohin ihn seine eigenen wuchernden Phantasien führten, wenn er ihnen denn einmal die Zügel schießen ließ, und wandte seinen Blick vom Fenster ab. Wahrscheinlich sprach hier nur die paranoide Vorstellungswelt eines Barbaren aus ihm, für den solche großen Städte etwas grundsätzlich Fremdes und damit Verdächtiges, Untergründiges darstellten.
    Für das bevorstehende Gespräch sollte er solche untergründig wuchernden Regungen dahin verbannen, wohin sie gehörten, und sich ganz auf seine klareren Sinne und seine Geistesschärfe verlassen.

    Vikar Genarion wohnte in einem Stadtpalais, das seiner Familie schon seit Generationen gehörte. Seite an Seite stand es mit ähnlichen Gebäuden, von denen viele früher einmal altem Adel gehört hatten, die aber nun vielfach von einzelnen Familien einer neuen wohlhabenden, bürgerlichen Oberschicht bewohnt wurden oder in Mehrparteien-Wohnhäuser umgewandelt worden waren.  
    Der Wagen hielt direkt vor dem Gebäude, und Auric stieg mit den drei Agenten der Kutte aus. Einer von ihnen betätigte den Klingelzug am Tor und ein Diener erschien. Die Kutte hatte es nicht für nötig und ratsam befunden, den Vikar von ihrem bevorstehenden Besuch zu unterrichten. Man wusste nur aus den untergründigen der Kutte zur Verfügung stehenden Quellen, dass der Vikar meist um diese Zeit zu Hause war und es auch an diesem Tag sein würde.
    Durch das hinter dem Tor liegende Foyer, von dem aus kleinere Türen, wahrscheinlich für die Angestellten, Zugang zu den Flügeln des Hauses boten, führte der Diener sie in einen üppig mit Pflanzen ausgestalteten Empfangsraum. Er wurde vom Foyer durch eine Säulenreihe

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