Der Keil des Himmels
Rückwirkung auf die Regierung und das Reich haben würde, von ungeheurem Vorteil sein.
Diese Möglichkeiten sollten wir nicht übersehen.“
Gut, das zu hören, denn zugleich mit dem Auftauchen von Genarion als Verdächtigem hatte auch Auric ein leiser, untergründiger Zweifel befallen. Natürlich hatte Genarion ein Motiv. Aber die Grundrichtung dieses Motivs war so offensichtlich, wie Genarion selber als Kandidat für den Verdächtigen augenfällig war.
„Morante, ich möchte Sie um etwas bitten.“ Die Worte der Kutte ließen Auric aus seinen Gedanken hochfahren. Die Stimme der Kutte hatte einen ruhigen, sachlichen Ton bekommen; alles Lauernde war jetzt aus ihr gewichen. „Ich will eine Gegenüberstellung zwischen ihnen und Vikar Genarion. Ich möchte, dass Sie bei meinem ersten Gespräch mit Genarion dabei sind. Und ich möchte danach ihre Meinung dazu hören.“
Erneut konnte Auric nicht anders, als verblüfft sein. Diese Wendung kam für ihn gänzlich unerwartet. So wie die geflüsterten Worte der Kutte beim Verlassen des Raumes, damals nach seinem Gespräch mit Heerespräfekt Makuvan.
Wer, so fragte er sich, war dieser Mann, der sich dort unter dieser Kutte verbarg?
„Morante.“ Die Kutte richtete sich hinter dem Tisch gerade auf. Der Blick von unter der Kapuze schien sich direkt auf Auric zu richten; zum ersten Mal erkannte er klar die Maske in ihrem Schatten und die Augen, die ihn durch die Schlitze hindurch anblickten. „Willkommen im Dschungel der großen Politik.“
„Du hörst mit dem Drogenhandel auf. Sofort. Wir werden dadurch angreifbar. Die Sechzehnte wird dadurch angreifbar. Und ich werde das nicht dulden. Die Sechzehnte wird das nicht dulden.
Du hörst damit auf oder du quittierst den Dienst.“
Nefraku sah ihn nur mit starrem Blick an und schwieg. Auric erwiderte seinen Blick. Er zeigte ihm darin nicht seinen Vorgesetzten, nicht den General. Er zeigte ihm Auric den Schwarzen.
„Du hast keine Wahl“, fuhr er knapp, klar und kalt fort. „Die Sechzehnte setzt ihre Interessen durch. Auch ohne Einmischung von außen. Auch gegen dich. Wenn du dich weigerst oder uns hintergehst, bist du unser Feind.“ Der Ausdruck in Nefrakus Augen zeigte ihm, er hatte jetzt vollständig dessen Aufmerksamkeit. „Und ich muss dir nicht erklären, wie die Sechzehnte mit ihren Feinden verfährt.“
Nefraku sah ihm zwar noch ins Gesicht, doch sein Blick ging anderswo hin.
Wieder fuhr er in Gesellschaft von Angehörigen der Kutte in einem grauen, von vier Pferden gezogenem Wagen durch die Straßen Idiriums. Drei weitere Kutten saßen mit ihm im vollkommen geschlossenen Inneren des Fahrzeugs, einer davon war die ihm bereits bekannte Kutte, mit der er auch schon am Vorabend, unmittelbar nach dem Attentat auf ihn, gesprochen hatte und der für ihn jetzt durch seine Stimme und den eleganten Schnitt seines langen Mantels identifizierbar geworden war. Zusätzlich hob er sich dadurch noch deutlicher ab, dass die Kutten heute statt Kapuzen, die direkter Teil ihrer Mäntel waren, Gugeln trugen, deren Schulterstück über die halbe Brust reichte und deren Kapuzen den gleichen Schnitt hatten wie die ihrer Mäntel und so auch in gleicher Weise ihre Züge verhüllten. Sie unterschieden sich aber, im Gegensatz zu den gleichförmig grauen Kuttenmänteln, in der Farbe und spiegelten anscheinend eine Rangordnung, denn zwei der Kutten trugen ein lediglich ins rötliche spielendes Grau, während die Gugel von Aurics Ansprechpartner scharlachrot gefärbt war.
Das Gefährt, in dem sie saßen, war makellos glatt, in einer perfekten Ausführung und musste kostspielig gewesen sein, allein schon wegen der Scheiben aus verspiegeltem Diaphanum – einer der neuesten Errungenschaften idirischen Erfindungsgeistes und Handwerkskunst –, die es niemandem erlaubten in das Innere der Kutsche zu schauen. Sie waren, wie mit der Kutte in der Nacht vorher vereinbart, auf dem Weg zu Vikar Genarion. Die drei Kutten saßen schweigend, steif und aufrecht ihm gegenüber. Niemand schien an einem Gespräch interessiert.
Es war ein Morgen mit verhangenem Himmel, ein Tag, an dem der so sicher gespürte Einzug des Frühling einen herben Rückschlag erlitt. Die Luft war feucht und kühl von einem Regen, der noch in den letzten fahlen Nachtstunden auf die Dächer und Straßen Idirium niedergeprasselt war. Ein klammer, weißer Hauch hielt sich beständig über den Rasenflächen von Parks und Gärten, und Dampf stieg aus den Schächten der
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