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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Ähnliches habe ich mir gedacht. Es konnte bei meiner verzögerten Abreise nur um ihre Organisation gehen. Eigentlich bleibt für mich hier nichts mehr zu tun. Eigentlich sollte ich wie alle anderen die Reise zu meinem Einsatzort antreten. Die zwei letzten Leute meines Stabes haben sich gestern auf den Weg nach Norgond gemacht. Von General Kelam habe ich heute Morgen ebenfalls gehört, dass er Idirium heute verlässt, nachdem er sich noch einmal mit einem Mitglied ihrer Organisation treffen wollte …“
    „Was?“ Der Ton, in dem die Kutte dies aussprach, ließ Auric innehalten. Ihre verhüllte Gestalt war in ihrer Haltung erstarrt, wie eingefroren. „Mit wem wollte sich General Kelam treffen?“
    „Mit einem Vertreter der Kutte. In der Nähe des Siegels des Kraístophreneacs.“
    Wieder erstarrtes Schweigen von der in die Kutte gehüllten Gestalt. Schließlich: „Das kann nicht sein.“ Wieder eine kurze Pause. „Wenn es ein Mitglied der Kutte gibt, mit dem sich Kelam trifft, dann bin ich das. Und hier stehe ich und weiß nichts von einem Treffen. Ich und der General haben uns gestern voneinander verabschiedet.“

    Auric trieb sein Pferd durch die Straßen von Vorstädten. Früher waren sie einmal eigenständige Siedlungen vor den Toren Idiriums gewesen waren, und undeutlich hatte er im Vorbeireiten wahrgenommen, dass Teile ihrer Gebäude noch immer das Gepräge einer ländlichen Kleinstadt trugen. Doch jetzt verblassten die vorbeifliegenden Eindrücke vor dem steinernen Monstrum, das über den Dächern der Häuser, den Wipfeln von Bäumen dahinter erkennbar wurde. Die gewaltige Rundung des Bauwerks, das aus längst vergessenen Gründen als Siegel der Kraístophreneacs bekannt war, ragte vor dem Hintergrund eines mit bauchigen Wolken durchsetzten Frühjahrshimmels auf, von der Erscheinung her die Mitte haltend zwischen der vollkommen glatten Außenmauer einer ausgedehnten kreisrunden Festung und einem riesigen gedrungenen Turm mit ins Absurde verkehrtem Verhältnis zwischen gewaltiger Basis und verglichen dazu unscheinbarer Höhe.  
    Die beiden Kutten, die ihm von „Anander“ als unmittelbare Begleitung mitgegeben worden waren, während er selber sich eilte die eigentliche Eingreiftruppe zu organisieren, hatte er hinter sich gelassen. Eine Weile hatte er noch das Hufklappern ihrer Pferde in seinen Ohren vernommen, dann war es hinter dem Vorhang des Rauschens der Aufregung aus seiner Wahrnehmung verschwunden. Kelam war die Säule der Sicherheit Idiriums im idirischen Osten, das Haupt der Dritten Armee. Das Blut raste ihm durch die Adern bei dem Gedanken, dass er zu spät kommen könnte.
    Endlich öffnete sich die vorbeiziehende Folge der Häuser vor ihm, der besiedelte Raum gedrängter Steinhäuser dünnte zu einer verstreuten Ansammlung von Schuppen und Ställen aus, gewährte einen Blick auf freies Land, vom aufragenden Rand des Siegels begrenzt. Dieses Land erhob sich zu Buckeln, bestanden mit dunklen Hainen und zerrauften Waldflecken. Die Sonne verschwand hinter Wolken, was die Landschaft für den Moment nur noch wüster und verödeter wirken ließ. Das Reich der Bürger Idiriums endete hier im Bannkreis des uralten Bauwerks; die Domäne von etwas Uraltem, Machtvollem begann. Nur noch wild bewaldetes Hügelland und die düsteren Hüllen alter, verlassener Gebäude, die sich in den Schatten des Siegels drängten, waren hier zu finden. Ein guter Ort für ein stilles Treffen, ein idealer Platz für einen Hinterhalt. Hier musste man keine Zeugen fürchten. Zumindest wenn man nicht an die Legenden von den Wächtern des Kraístophreneacs glaubte, die in den Katakomben hausten, zu denen viele dieser alten Bauten Zugang boten.
    Er kannte den Weg zur Jenamandischen Kapelle nur der kurzen Beschreibung „Ananders“ nach und trieb sein Pferd den Hang einer Anhöhe hinauf, um einen besseren Überblick zu erhalten. Da war sie. Hinter einer düster gedrängten Zedernwaldung fand sein umherstreifender Blick die Türme des Gebäudes, das man trotz seiner Ausmaße aus mysteriösen Gründen immer noch als Kapelle bezeichnete.
    Der Hang, der auf gradem Weg hinabführte war trügerisch, sein Umreiten kostete zu viel Zeit. Von unten jenseits des zerrauften Baumdunkels glaubte er das Geräusch von Schwerterklirren im Wind zu ihm herübertreiben zu hören.
    Keine Zeit.
    Der Wall des Siegel hinter der Kapelle raunte die Drohung unverrückbarer Unerbittlichkeit in das Land ringsum. Wie unter einem Windstoß bebten die

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