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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Urlaub. Es ist wirklich keine große Sache. Bloß weil die Leute hier diese Anzüge anhaben, brauchen Sie nicht gleich hysterisch zu werden«, sagte Marino. Der hatte es nötig.
    Er redete noch weiter auf den Mann ein und tat dabei ganz so, als sei er der Experte für Infektionskrankheiten. Ich ließ die beiden stehen und ging allein auf den Wohnwagen zu. Einen Moment lang baute ich mich dicht davor auf und schaute mich um. Zu meiner Linken standen meilenweit Bäume, und dann kam der Fluß, auf dem unsere Boote lagen. Zu meiner Rechten konnte ich durch noch mehr Bäume die Geräusche des Highway hören. Der Wohnwagen stand auf einem weichen Kiefernnadelteppich, und als erstes fiel mir die abgeschabte Stelle an der weißlackierten Deichsel auf.
    Ich trat näher heran, hockte mich hin und rieb mit behandschuhten Fingern über die tiefen Furchen und Kratzer im Aluminium. An dieser Stelle hätte eigentlich die Fahrgestellnummer stehen müssen. In der Nähe des Dachs bemerkte ich eine versengte Stelle im Vinyl und schloß daraus, daß jemand die zweite Nummer mit einem Propangasbrenner weggebrannt hatte. Ich ging zur anderen Seite hinüber.
    Die Tür war nicht verriegelt. Sie war mit irgendeinem Werkzeug aufgebrochen worden und schloß deshalb nicht richtig.
    Meine Nerven begannen zu vibrieren. Wie immer, wenn die Beweismittel eine ganz andere Geschichte erzählten als die Zeugen, wurde mein Kopf klar, und ich war voll konzentriert.
    Ich stieg die Metallstufen hinauf, trat ein und blieb regungslos stehen, während ich meinen Blick über diesen Schauplatz schweifen ließ, der den meisten Leuten vielleicht nichts gesagt hätte, mir jedoch einen Albtraum bestätigte. Dies war deadocs Versuchslabor.
    Die Heizung war so hoch aufgedreht, wie es nur ging. Ich stellte sie ab und schrak zusammen, als mir plötzlich eine armselige weiße Kreatur über die Füße hoppelte. Ich machte eine ruckartige Bewegung und hielt erschrocken die Luft an.
    Das Tier lief völlig verschreckt gegen eine Wand und blieb dann zitternd und keuchend sitzen. Dem bedauernswerten Versuchskaninchen war stellenweise das Fell abrasiert worden, und dann hatte man ihm das Virus eingeritzt. Seine Haut wies einen gräßlichen, dunklen Ausschlag auf. Ich entdeckte seinen Drahtkäfig, der offenbar vom Tisch gestoßen worden war. Die Tür stand weit offen.
    »Komm her.« Ich hockte mich hin und streckte die Hand aus, während es mich mit rotgeränderten Augen beobachtete.
    Die langen Ohren zuckten.
    Vorsichtig schob ich mich dichter heran, denn hinauslassen durfte ich es nicht. Es war ein lebender Seuchenherd.
    »Komm her, du armes, kleines Ding«, sagte ich zu dem Tier, das der Ranger als Monster angesehen hatte. »Ich tu dir nichts, das versprech' ich dir.«
    Dann hielt ich es sanft in meinen Händen. Sein Herz raste, und es zitterte heftig. Ich steckte es wieder in seinen Käfig und ging dann zum Heck des Wohnwagens. Der Türrahmen, durch den ich trat, war niedrig, und der Leichnam dahinter füllte praktisch das ganze Schlafzimmer aus. Der Mann lag mit dem Gesicht nach unten auf einem goldenen Flokatiteppich voller dunkler Blutflecken. Sein Haar war lockig und dunkel, und als ich ihn umdrehte, stellte ich fest, daß sich die Leichenstarre bereits wieder gelöst hatte. Mit seinem Kolani und den schmutzigen Hosen erinnerte er mich an einen Holzfäller. Seine Hände waren riesig, die Fingernägel schmutzig, und er trug einen ungepflegten Vollbart.
    Ich entblößte seinen Oberkörper, um mir das Muster der Totenflecke anzusehen, dort, wo das Blut nach Eintreten des Todes der Schwerkraft gehorcht hatte. Gesicht und Brust waren rötlich violett verfärbt. Da, wo sein Körper auf dem Boden aufgelegen hatte, waren blasse Stellen zu sehen. Ich sah keine Anzeichen dafür, daß seine Leiche bewegt worden war.
    Ihm war aus kurzer Distanz einmal in die Brust geschossen worden, möglicherweise mit der doppelläufigen Remington-Schrotflinte, die neben seiner linken Hand lag.
    Die Schrotkugeln steckten eng beisammen und hatten ein großes Loch mit bogenförmigen Rändern mitten in seine Brust gerissen. Weiße Plastikpartikel aus der Schrotpatrone klebten an seiner Kleidung und Haut, was ebenfalls darauf hindeutete, daß es sich um keinen aufgesetzten Schuß handelte. Ich vermaß das Gewehr und seine Arme. Es war mir ein Rätsel, wie er an den Abzug hätte kommen sollen. Auch sah ich nichts, was darauf hindeutete, daß er sich irgendeine Art von Hilfskonstruktion gebaut hätte.

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