Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
unerfreulicher«, fuhr sie fort. »Es geht um Carrie Grethen.«
    Ich war wie vom Donner gerührt. Bei der bloßen Erwähnung ihres Namens packte mich bereits der Zorn. Als Lucy vor Jahren CAIN entwickelte, hatte sie mit Carrie zusammengearbeitet. Dann war bei der ERF eingebrochen worden, und Carrie hatte es so gedreht, daß meine Nichte die Schuld dafür bekam. Außerdem war Carrie die Komplizin eines Psychopathen bei dessen grauenhaften, sadistischen Morden gewesen.
    »Die sitzt doch noch im Gefängnis«, sagte ich.
    »Stimmt. Aber ihr Prozeß ist fürs Frühjahr angesetzt«, erwiderte Janet.
    »Das weiß ich wohl.« Ich begriff nicht, worauf sie hinauswollte.
    »Sie sind die Hauptbelastungszeugin. Ohne Sie hat der Staatsanwalt kaum etwas in der Hand. Zumindest nicht, wenn es sich um ein Schwurgerichtsverfahren handelt.«
    »Janet, ich versteh' überhaupt nichts mehr«, sagte ich, und meine Kopfschmerzen kehrten mit voller Wucht zurück.
    Sie holte tief Luft. »Ich bin sicher, Sie wissen, daß sich Lucy und Carrie einmal nahe standen.« Sie zögerte. »Sehr nahe.«
    »Natürlich«, sagte ich ungeduldig. »Lucy war noch ein Teenager, und Carrie hat sie verführt. Ja, ja, ich weiß alles darüber.«
    »Percy Ring ebenfalls.«
    Ich sah sie erschrocken an.
    »Offenbar hat Ring gestern den für den Fall zuständigen Staatsanwalt aufgesucht, Rob Schurmer, und ihm hinter vorgehaltener Hand erzählt, daß er ein schweres Problem hat, weil die Nichte der Hauptbelastungszeugin eine Affäre mit der Angeklagten hatte.«
    »Mein Gott.« Ich konnte es kaum fassen. »Dieses verdammte Schwein.«
    Als Juristin wußte ich, was das bedeutete. Lucy würde in den Zeugenstand treten und über ihre Affäre mit einer anderen Frau aussagen müssen. Der einzige Weg, das zu verhindern, bestand darin, mich aus der Zeugenliste streichen zu lassen.
    Aber dann könnte niemand mehr Carrie etwas anhaben.
    »Lucys Privatleben hat doch mit Carries Verbrechen gar nichts zu tun«, sagte ich. Ich war so wütend auf Ring, daß ich mich einer Gewalttat fähig fühlte.
    Janet nahm den Hörer ans andere Ohr und versuchte, gelassen zu wirken. Doch ich sah ihr an, daß sie Angst hatte.
    »Sie wissen ja, wie es da draußen zugeht«, sagte sie. »Das ist eben ein Tabu. Es wird zwar viel geredet, aber in Wirklichkeit wird es nicht geduldet. Und dabei sind Lucy und ich schon vorsichtig. Die Leute haben vielleicht ihre Vermutungen, aber sie wissen es nicht mit Sicherheit. Schließlich laufen wir nicht in Leder und Ketten herum.«
    »Wohl kaum.«
    »Ich glaube, das würde ihr das Genick brechen«, stellte sie trocken fest. »Das ganze Medienspektakel! Und dann die starken Männer beim HRT, wenn sie sich nach der Geschichte das erste Mal wieder dort blicken läßt. Gar nicht auszudenken! Ring tut das nur, um sie fertigzumachen, und Sie vielleicht gleich mit. Und möglicherweise mich. Meiner Karriere wird das auch nicht gerade förderlich sein.«
    Sie brauchte nicht weiterzusprechen. Ich verstand.
    »Weiß jemand, wie Schurmer reagiert hat, als Ring es ihm gesagt hat?«
    »Er ist ausgeflippt, hat Marino angerufen und gesagt, er wisse nicht, was er tun solle. Wenn die Verteidigung das herausfände, sei er geliefert. Dann hat Marino mich angerufen.«
    »Zu mir hat Marino nichts gesagt.«
    »Er wollte Sie nicht noch zusätzlich beunruhigen«, sagte sie.
    »Und er hielt es auch nicht für seine Aufgabe.« »Verstehe«, sagte ich. »Weiß Lucy Bescheid?«
    »Ich habe es ihr gesagt.«
    »Und?«
    »Sie hat ein Loch in die Schlafzimmerwand getreten«, antwortete Janet. »Dann meinte sie, wenn es sein müßte, würde sie eben in den Zeugenstand treten.«
    Janet preßte ihre Handfläche gegen das Glas, spreizte die Finger und wartete, daß ich das gleiche tat. Das war die einzige Form der Berührung, die uns möglich war. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
    Ich räusperte mich und sagte: »Ich fühle mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen.«

Kapitel 10
    Die Schwester brachte das Computerequipment in mein Zimmer, übergab es mir wortlos und ging dann sofort wieder hinaus. Einen Moment lang starrte ich den Laptop an, als könnte er mir gefährlich werden. Dann setzte ich mich im Bett auf.
    Mir war eiskalt, und trotzdem hörte ich nicht auf zu schwitzen.
    Ich wußte nicht, ob mein Zustand durch eine Mikrobe verursacht wurde oder ob ich aufgrund dessen, was Janet mir gerade erzählt hatte, vor einer Art Nervenzusammenbruch stand. Lucy hatte schon als Kind FBI-Agentin

Weitere Kostenlose Bücher