Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
Boot«, trug er einem seiner Männer auf. »Wir fahren zum Mont St. Michel.«
»Aber die Flut steigt noch, Captain«, gab einer der Begleiter zu bedenken. »Es dürfte noch zwei oder drei Stunden dauern, ehe die See ruhig genug für eine Überfahrt ist.«
»Ich sagte, Ihr sollt ein Boot organisieren.« Bei Draecs bedrohlich tiefer Stimme beeilte sich der Bursche, die Anweisung zu befolgen.
Die Augen zu gefährlichen Schlitzen verengt und die Mundwinkel in dunkler Genugtuung verzogen starrte Draec auf den Felsen aus schwarzem Granit, der wie ein ungeschliffener Diamant aus dem Wasser ragte. Der Vollmond ging hinter der Insel auf, ein blasses, leuchtendes Rund inmitten der zunehmenden Dunkelheit. Irgendwo dort in der wehrhaften Abtei lag also ein weiterer Stein des Kelchs verborgen, und Draec le Nantres wollte ihn finden. Noch in dieser Nacht.
23
Als sie die felsige Küste des Mont St. Michel erreichten, stand Braedon das Wasser bereits bis zu den Knien. Auf dem letzten Stück waren sie von ihren Pferden abgestiegen, sodass Braedon die Geschwister nun aus der gurgelnden Flut auf einen Felsvorsprung am Fuße des Berges führte. Das Vorwärtskommen auf dem weichen Schlickboden war anstrengend und ermüdend gewesen, und hätten sie mit der Überquerung noch länger gezögert, so wären sie in der ansteigenden Flut womöglich ums Leben gekommen. Aber sie hatten es geschafft. Sie gingen durch den Bogen des massiven Steintors, das der Inselfestung und all ihren Bewohnern Schutz bot, und führten die Pferde an den Zügeln ins Innere.
Ihnen stand der Aufstieg zur Abtei bevor. Einsam führte der steile Weg an den eng zusammenstehenden Häusern des Dorfs vorbei bis zur Spitze des Felsens. Die letzte Pilgergruppe bog soeben um die erste Ecke der gewundenen Straße, als Braedon, Ariana und Kenrick den Pferden eine kurze Pause gönnten.
»Wenn wir kein Aufsehen erregen wollen«, meinte Kenrick, der neben Braedon stand und mit einem Nicken in Richtung der Reisenden deutete, »dann wäre es vermutlich klug, die Abtei in einer großen Gruppe zu betreten.«
Braedon hielt inne und dachte über ihr weiteres Vorgehen nach, als er zusah, wie die letzten Pilger im Schein des aufgehenden Mondes um eine Häuserecke bogen und somit außer Sichtweite waren. »Nein, ich muss mich so unauffällig wie möglich bewegen.«
»Es gibt noch einen anderen Weg«, sagte Kenrick. »Einen älteren Eingang an der Nordseite. Früher wurden dort Almosen ausgegeben, doch die Tür wurde schon nicht mehr benutzt, als ich das letzte Mal hier war. Man muss die schroffe Wand des Berges erklimmen, um zu der Pforte zu gelangen, aber wenn Ihr nach einer Möglichkeit sucht, unbemerkt die Abtei zu erreichen, so dürfte das Euren Vorstellungen entgegenkommen.«
»Einverstanden. Ihr und Ariana folgt weiterhin der Straße. Verschafft Euch Einlass und wartet, bis ich wieder zu Euch stoße.«
Kenrick nickte zustimmend, aber auf Arianas Stirn zeichneten sich Sorgenfalten ab. »Ich halte nichts davon, wenn wir uns trennen. Wir würden bestimmt eine Möglichkeit finden, unauffällig mit den Pilgern hineinzukommen, und dann könnten wir uns sofort auf die Suche nach dem Stein machen.«
Braedon schüttelte den Kopf. »Den friedliebenden Benediktinern dürfte es zweifelsohne schwerfallen, meinen entstellten Gesichtszügen keine Beachtung zu schenken«, erklärte er und war überrascht, dass er Ariana jetzt sogar an die Narbe erinnern musste, die all seine Hoffnungen zunichtegemacht hatte, jemals wieder unbemerkt einen Ort betreten zu können. Ariana hatte sein Gesicht akzeptiert – seine Narben, die sichtbaren genauso wie die unsichtbaren – , aber sie stellte eine Ausnahme in einer Welt dar, in der die Menschen sich normalerweise vor dem Fremden oder Andersartigen fürchteten. Er sah ihre Angst und ihren Widerwillen, ihn auch nur für einen Moment zu verlassen, und es rührte sein Herz, wie viel Liebe sie ihm entgegenbrachte. Er streckte die Hand aus, um ihr eine nasse Strähne aus der Stirn zu streichen. Lächelnd zog er Ariana an sich und brachte sie dazu, seinen Blick zu erwidern. »Mein Vorschlag ist der beste Weg, das verspreche ich.«
Am liebsten hätte er ihr zweifelndes Gesicht geküsst, wenn nicht Kenrick dabei gewesen wäre, der allerdings so tat, als bemerke er die Liebenden nicht. Ariana stieß einen leisen Seufzer aus und tadelte Braedon im Flüsterton. »Ich bin nicht den ganzen Weg hierhergekommen, damit du mich jetzt wieder verlässt.«
»Und ich
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