Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
gerade ein Tau seiner Kogge, als er die Stimme von Ariana of Clairmont hinter sich auf dem Kai hörte. Sie musterte ihn mit anklagender Miene. Er war nicht überrascht, sie hier zu sehen. Eilige Schritte auf dem Pier hatten ihn aufhorchen lassen, und noch ehe ihr leichter Gang und das Rascheln ihrer Röcke sie verraten hatten, hatte er gewusst, dass nur sie es sein konnte.
»Warum habt Ihr mir nicht davon erzählt?«
Er warf ihr einen kurzen düsteren Blick zu. »Ihr habt mich nicht danach gefragt.«
Sein abweisender Tonfall sollte genügen, um sie gleich wieder loszuwerden. Doch zu seiner Überraschung verharrte die junge Frau an Ort und Stelle, die Fäuste in die Hüften gestemmt, die Stirn in steile Falten gelegt. Offenbar hatte sie in aller Eile Roberts Haus verlassen, denn ihr vom Schlaf zerzaustes Haar fiel ihr in ungebändigten blonden Locken um die Schultern. Die Morgenbrise, die vom Fluss herüberwehte, spielte mit ihren Haarsträhnen. Ihre Wangen waren gerötet, aber Braedon führte dies eher auf ihren Zorn als auf die kühle Morgenluft zurück. Sie sah aus wie eine Frau, die selbst dem schlimmsten Sturm trotzen würde. Für einen Moment bewunderte Braedon ihre Hartnäckigkeit.
»Geht zurück zu Robert und Peg, wenn Ihr bei Verstand seid. In den Docks wird es bald von Männern wimmeln. Ihr gehört nicht hierher.«
»Ich werde so lange hierbleiben, bis Ihr mir zugehört habt.«
»Warum überrascht mich das nicht?«, schimpfte er halblaut. »Geht zurück, Madame, ehe Ihr in neue Schwierigkeiten geratet.«
Statt seiner Aufforderung Folge zu leisten, ging sie einen Schritt auf ihn zu. »Ich möchte, dass Ihr mich nach Frankreich bringt.«
Er lachte lauthals auf und kehrte ihr den Rücken zu, während er die Kogge klar zum Ablegen machte. »Kommt überhaupt nicht infrage.«
»Warum nicht?«
»Weil Ihr mir ohne Zweifel Schwierigkeiten bereiten werdet. Das hier ist kein königliches Vergnügungsschiff, Mylady; es ist ein Schiff, das ich für meine Arbeit brauche. Und selbst wenn ich einen Passagier mitnähme, würde ich ihn bestimmt nicht in Frankreich absetzen.«
»Oh? Und warum nicht? Habt Ihr etwa eine ganze Reihe Frauen mit gebrochenen Herzen dort zurückgelassen?«
Er lachte trocken und entfaltete das einzige Segel mit einem kräftigen Ruck. »Ich vermute, Ihr habt Euch heute Morgen mit Peg unterhalten.«
»Sie riet mir, mich von Euch fernzuhalten. Man könne sich nicht auf Euch verlassen, da Ihr Leute im Stich lasst, wenn sie Euch am meisten brauchen.«
Braedon wandte sich ihr zu, um sich der Anschuldigung zu stellen, überlegte es sich aber anders. Er würde sich nicht dazu hinreißen lassen, seine angeschlagene Ehre zu verteidigen. Er kam hinter dem dicken Mast hervor und betrachtete Ariana mit einem kühlen Blick. »Wenn sie all dies gesagt hat und Ihr ihr glaubt, warum seid Ihr dann hier?«
»Das habe ich Euch schon erklärt. Ich brauche Eure Hilfe.«
»Ich habe Euch bereits geholfen«, entgegnete er. »Wenn Ihr nicht zufrieden mit dem seid, was ich anzubieten hatte, so ist das Eure Sache. Ich habe meine Pflicht Euch gegenüber jedenfalls getan.«
Sie stieß einen empörten Laut aus, folgte Braedon jedoch beharrlich, als er über die Planken schritt, um eines der Verladenetze zu überprüfen. »Ihr habt mein Geld für die Überfahrt gestohlen und mich bei Fremden zurückgelassen, die ich nicht kannte. Und jetzt bereitet Ihr Euch hier seelenruhig aufs Auslaufen vor, ohne Euch Gedanken darüber zu machen, was aus mir wird. Ihr seid abscheulich.«
Ihr Vorwurf traf ihn härter, als er wahrhaben wollte, aber es gelang ihm, den Fluch, der ihm auf der Zunge lag, herunterzuschlucken. »Bei Robert wart Ihr sicher. Er ist ein ehrenwerter Mann und hätte dafür gesorgt, dass Ihr schnellstmöglich nach Clairmont reisen würdet.« Er merkte, wie seine Mundwinkel zuckten, als er aufschaute und ihr empörtes Gesicht sah. »Und ich habe Euch Euer Geld auch nicht gestohlen.«
»Doch, das habt Ihr, auch wenn Ihr das anders ausdrückt. Die Börse gehörte mir, nicht Monsieur Ferrand. Und Euch schon gar nicht.«
Unvermutet schleuderte er ihr das Netz vor die Füße. »Ihr urteilt sehr schnell über mich, Madame.«
»Das tue ich nur«, erwiderte sie und warf mit einer Kopfbewegung ihr Haar nach hinten, »weil Ihr Euch immer mehr als Schurke erweist, je länger ich Euch kenne. Ihr, Sir, seid genauso bösartig, wie Ihr ausseht.«
Die Provokation ging ihm zu weit. Aufgebracht trat er auf sie zu. »Ihr
Weitere Kostenlose Bücher