Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
bewertet nur das, was offensichtlich ist«, herrschte er sie an. »Ist es nicht so, Ariana of Clairmont?«
Sie blickte ihm geradewegs in die Augen. »Ja.«
»Dann werft einen Blick in Eure Tasche und sagt mir, was Ihr seht.«
Als er ihren verwirrten Blick und die krause Stirn sah, verspürte Braedon eine diebische Freude. »Was wisst Ihr über die Tasche?«, wollte sie wissen und presste sie fest an sich, als fürchte sie, Braedon könne sie ihr entreißen. Dann löste sie schnell den Lederriemen, der die Tasche verschloss, und tastete mit zittrigen Fingern nach dem Inhalt. »Wenn Ihr mir schon wieder irgendetwas entwendet habt, dann schwöre ich, dass ich … oh.«
Sie griff hinein und holte die kleine Geldbörse hervor, die Braedon dort hineingelegt hatte, ehe er das Haus seines Freundes verlassen hatte. Eine auffallende Röte überzog ihre Wangen.
»Seid Ihr nun zufrieden?« Er hob eine Braue. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Wie Ihr seht, habe ich alle Hände voll zu tun.«
Er wandte sich von ihr ab und hörte das Klirren von Münzen hinter sich. »Ich kann Euch bezahlen.«
»Ich weiß, wie viel Geld sich in diesem Beutel befindet, Ariana. Damit könnt Ihr Euch meine Dienste nicht leisten.« Er warf ihr einen bewusst anmaßenden Blick über die Schulter zu. »Außerdem hätte ich Euer Geld behalten, wenn ich es gebraucht hätte.«
»Schön«, erwiderte sie gereizt. »Wenn Ihr das so seht.«
»Ja, so sehe ich das.« Erneut drehte er sich zu ihr um, schaute sie unverwandt an und wartete auf ein Zeichen, dass sie seine Absage verstanden hatte. »Und jetzt macht, dass Ihr weiterkommt, Madame. Die Flut setzt ein, und ich habe nicht vor, meine Zeit mit nutzlosem Geschwätz zu vergeuden.«
Wieder kehrte er ihr den Rücken zu – zum letzten Mal, wie er hoffte – und unterzog sein Boot einer abschließenden Prüfung. Er horchte auf einen leisen Fluch oder ein entmutigtes Seufzen, auf das rasche Klacken der Stiefel auf den Holzplanken. Doch er vernahm nichts dergleichen. Stattdessen schien Ariana die wenigen Möglichkeiten abzuwägen, die ihr unter den gegebenen Umständen noch blieben – er hörte förmlich, wie es im Kopf dieser eigensinnigen Frau arbeitete. Ihre Blicke schienen ihn von hinten wie kleine Dolche zu durchdringen.
Er würde sich ganz bestimmt nicht noch einmal zu ihr umdrehen und sich auf einen weiteren Wortwechsel einlassen. Er schuldete dem jungen Ding nichts und würde auf keinen Fall nachgeben.
»Gut«, sagte sie. »Wenn mein Geld also keinen Wert darstellt und auch die Ehre Euch nicht dazu bewegen kann, mir zu helfen, dann lasst uns einen anderen Handel schließen. Es muss doch etwas geben, das Ihr annehmen werdet, um mir die Überfahrt zu ermöglichen … «
Sosehr er sich auch vorgenommen hatte, nicht weiter auf sie einzugehen, ihr Vorschlag ließ ihn innehalten. Langsam wandte er sich wieder zu ihr um. Sie war sichtlich nervös, ihre zierlichen Finger spielten mit dem Pelzbesatz ihres Mantels. Die Röte war ihr wieder in die Wangen gestiegen, und sie schlug die Augen nieder.
»Woran denkt Ihr?«
Sie mied seinen Blick – sie war noch unschuldig, daran bestand trotz der sinnlichen Anspielung ihres Angebots kein Zweifel – und sagte: »Nennt mir Euren Preis … und ich werde ihn bezahlen.«
Braedon warf das Tau zu Boden, das er soeben aufgerollt hatte, und sprang zu ihr auf den Kai. Forsch schritt er auf Ariana zu und umfasste ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger. Er hob ihr Gesicht an und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Worüber genau wollt Ihr mit mir verhandeln, Madame?«
Sie sah ihn mit großen blauen Augen an, schaute dann wieder zu Boden und senkte die langen Wimpern. Sie versuchte sich seinem Griff zu entwinden und drehte den Kopf zur Seite. Ihre Stimme stockte, als sie endlich flüsternd antwortete. »Ich … ich denke, Ihr habt mich verstanden. Verlangt nicht, dass ich es ausspreche.«
Braedon gab einen unwirschen Laut von sich, und der Blick, den er ihr zuwarf, hätte sie ängstigen müssen. »Wenn Ihr es schon nicht aussprechen könnt, Lady Ariana, wie wollt Ihr es dann tun?«
Sie schluckte, begegnete dann jedoch seinem Blick. »Ich sagte es bereits. Nennt Euren Preis. Sagt mir … dass Ihr das für mich tun werdet: Bringt mich nach Frankreich. Ich bitte Euch.«
Während er ihren sinnlich geschwungenen Mund betrachtete, diese vollen Lippen, die zum Küssen einluden, fragte er sich, ob er hier und jetzt ihren Reizen nachgeben sollte. Die Mischung
Weitere Kostenlose Bücher