Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
hat vor unseren Augen seine Gestalt geändert, Braedon. Er muss ein Dämon gewesen sein.« Sie zitterte unter der Decke. Für einen langen Moment herrschte Schweigen, und Ariana richtete den Blick wieder auf die Flammen. Als sie sich erneut ihrem Begleiter zuwandte, war ihr Gesicht bleich vor Furcht. »Braedon … was ist, wenn es mehr von diesen Wesen gibt?«
»Hier sind wir erst einmal sicher. Calais liegt einen Tagesritt hinter uns. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen.«
Doch noch während er die Worte aussprach, wusste er, dass er die bedrohliche Lage beschönigte. Je länger sie an einem Ort verweilten, desto größer wurde die Gefahr. Er war sich sicher, dass ihre Verfolger keine Rast einlegen würden. Er konnte förmlich spüren, wie sich die Häscher ihnen näherten. Sie würden sie so lange erbarmungslos jagen, bis sie die Tasche in ihren Besitz gebracht hatten. Braedon sah sich und Ariana vor seinem inneren Auge bereits in der Gewalt des übermächtigen Gegners und ahnte, dass ihnen der Tod bevorstand.
Sie konnten nicht die ganze Nacht in der Höhle verbringen. Sie würden ein wenig ausruhen, sich dann einen neuen Plan zurechtlegen und noch vor Einbruch der Morgendämmerung wieder im Sattel sitzen.
»Versucht ein wenig die Augen zu schließen«, sagte er und schaute über das Feuer zu Ariana hinüber. »Ich werde Wache halten, während Ihr schlaft.«
Sie warf ihm einen verlegenen Blick zu, bevor sie ihre Schultern straffte. Ihre feuchte, vom Wind zerzauste Lockenpracht legte sich wie ein goldener Fächer über die Wolldecke, als sie den Kopf schüttelte. »Ihr braucht Euch nicht um mich zu kümmern, Braedon. Fühlt Euch zu nichts verpflichtet. Ihr habt schon genug für mich getan.«
»Da gebe ich Euch recht«, entgegnete er kühl. »Aber was geschehen ist, ist geschehen.«
Wieder sah er Bedauern in ihrem Blick. »Wenn Ihr möchtet, dass ich gehe, dann werde ich das tun. Ich wollte Euch nie in diese Angelegenheit hineinziehen, das schwöre ich. Ich könnte verstehen, wenn Ihr mich hier zurücklassen wollt, bevor noch schlimmere Dinge geschehen«, sagte sie mit leiser Stimme.
Vor Erstaunen über diesen einfältigen Vorschlag musste er lachen. Seine spöttische Reaktion ließ sie zusammenzucken. »Ich fürchte, Ihr versteht da etwas falsch, Madame. Ihr und ich, wir stecken beide in der Klemme – ob uns das nun gefällt oder nicht. Es ist unerheblich, ob wir getrennte Wege gehen. Man jagt uns beiden hinterher.« Wieder trat er an das Feuer und sah, wie sich ihre Miene veränderte, während sie über seine Worte nachdachte. »Und was Rouen betrifft«, fügte er hinzu, »so werdet Ihr nicht dorthin reisen, weder allein noch mit mir. Denn dort erwartet Euch der Tod.«
Eine steile Falte zeichnete sich zwischen ihren Brauen ab. »Ihr habt nicht darüber zu entscheiden, was ich tue. Und Ihr werdet mich auch nicht davon abhalten können, meinen Bruder aufzusuchen.«
»Doch, das kann ich, Ariana, und ich werde es auch tun. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr den Entführern diese Tasche gebt.«
»Ihr werdet es nicht zulassen?«
»Ganz recht. Von nun an bestimme ich, was wir als Nächstes tun. Das ist unsere einzige Chance.«
Sie erhob sich mit vor der Brust verschränkten Armen. »Und was ist mit Kenrick?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Sein Leben hängt davon ab, dass ich den Entführern die Papiere aushändige.«
»Unser beider Leben ist verloren, wenn Ihr das tut.«
»Ich werde alles machen, was diese Männer von mir verlangen, Braedon. Ich muss es. Ihr könnt mich zu nichts zwingen.«
Ihr Zorn ließ ihn kalt. Er sah sie ernst an und versuchte vernünftig mit ihr zu reden, obwohl er merkte, dass er mit seinen Worten nichts erreichte. »Ihr würdet also freiwillig den Tod in Kauf nehmen, der Euch in Rouen erwartet?«
»Ich werde Kenrick nicht im Stich lassen. Er ist alles, was mir geblieben ist.« Ihr Kinn bebte, aber ihr flammender Blick verriet Entschlossenheit. »Wenn Ihr glaubt, ich ließe meinen Bruder sterben, dann irrt Ihr Euch gewaltig!«
»Ariana, diese Männer nehmen keine Rücksicht auf das Leben anderer. Falls Euer Bruder noch lebt, so war sein Schicksal in dem Moment besiegelt, als er gefangen genommen wurde.« Sie sah ihn verständnislos an, aber er wusste, dass sie den Ernst der Lage begriffen hatte. Er hatte so deutlich werden müssen, damit ihr klar wurde, welches Schicksal auch sie in Rouen erwartete. »Sie werden ihn mit Sicherheit umbringen. Sie werden es tun
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