Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
als vertraut war.
Doch es war nicht allein ihre Hingabe, an der er Gefallen fand, als er Havens elegante Finger sah, mit denen sie sich an der kleinen Kette zu schaffen machte. Ohne zu blinzeln, heftete sie den Blick auf das Schmuckstück. Sie schob ein wenig die Unterlippe vor, als sie das beschädigte Kettenglied wieder mit dem nächsten Glied verband und das Kettchen erneut dicht an die Kerze hielt. Kurz erhitzte sie das beschädigte Stück in der unsteten Flamme und zog die Kette dann zurück.
Als sie die Hand nach dem kleinen Hammer ausstreckte, löste sich eine Haarlocke hinter ihrem Ohr. Sie strich die Locke zurück, aber die feurigen Haare erwiesen sich als hartnäckig. Erneut fielen sie ihr ins Gesicht.
Ehe Kenrick recht wusste, was er tat, hatte er die Hand bereits ausgestreckt und die widerspenstige Locke ergriffen, die sich in seiner Hand seidig anfühlte. Sacht hob er sie an. Deutlich hörte er, wie Haven den Atem anhielt, und sah, wie ihre geschickten Hände an der Kette bebten.
»So könnt Ihr besser sehen«, sprach er, strich ihr die Locke aus dem Gesicht und hielt sie mit geheimer Freude fest.
»Habt Dank«, wisperte sie und fuhr mit der Wiederherstellung der Kette fort. Doch nun arbeitete sie sichtlich hastiger, wie ihm auffiel. »Was werdet Ihr mit diesem Schmuckstück tun, wenn es wieder ausgebessert ist?«
»Ich werde es zurück nach Greycliff Castle bringen, wo ich es gefunden habe. Denn dort gehört die Kette hin, zu Elspeth.«
»Sie muss Euch viel bedeutet haben, wenn Ihr Euch so große Mühe gebt.«
Kenrick begegnete der eher beiläufigen Bemerkung mit einem kaum merklichen Lächeln. »Das ist richtig. Sie war die Gemahlin meines besten Freundes.«
Und es hatte einmal eine Zeit gegeben, vor vielen Jahren …
Er schob den Gedanken jedoch beiseite, ehe die Erinnerung von ihm Besitz ergreifen konnte, und sperrte sich gegen das Bedauern, das Dinge betraf, die nicht hatten sein sollen.
Elspeths Herz gehörte Rand, und so war es immer gewesen. Er missgönnte ihnen ihre gegenseitige Liebe keinen Augenblick – weder jetzt noch früher.
Dass er der zierlichen Elspeth einst verfallen war, hatte Kenrick stets für sich behalten. Während eines schmerzlichen Sommers hatte er zugesehen, wie Rand die hübsche junge Frau umworben hatte, die dann schließlich zu seiner Gemahlin wurde.
Kenrick war ein ernster Jüngling von vierzehn Jahren gewesen, bereits in seine Studien und das Wissen seiner geistlichen Lehrer vertieft. Er war noch ein Junge gewesen, zurückhaltend und ein wenig linkisch, insbesondere im Vergleich zu seinem Freund, dem draufgängerischen Spaßmacher Randwulf of Greycliff.
Nie hatte er ein Wort über die Gefühle verloren, die er für Elspeth hegte, er hatte sich niemals jemandem anvertraut. In eben jenem Jahr verließ er Clairmont Castle, um seine von der Kirche geförderten Studien zu betreiben, und kurz darauf schloss er sich dem Orden der Templer an. Wie sich später herausstellte, hatte sich weder die eine noch die andere Berufung als förderlich erwiesen. Denn je mehr er lernte, desto deutlicher nahm er die Laster der Habsucht und der Käuflichkeit um sich herum wahr. Sein Glaube war mit seinem Gelübde zerbrochen.
Auch er war nicht vor den Reizen eines hübschen Gesichts und wohlgeformter, weiblicher Rundungen gefeit und wusste durchaus um die Vergnügen, die eine willige Frau einem Mann bereiten konnte. Doch er hatte sich von keiner dieser Verlockungen länger als eine flüchtige Nacht lang fesseln lassen.
Er war vorsichtig und auf Abstand bedacht, blieb stets Herr über seine Gefühle.
Bis vor kurzer Zeit.
Er wusste nicht, was er sagen sollte, und so stand er nur schweigend da und betrachtete das Profil der jungen Frau. Immer noch hielt er ihre Haarlocke.
Auch Haven sagte kein Wort. Mit wenigen leichten Hammerschlägen war die beschädigte Kette wieder heil. Langsam hob Haven den Kopf, dann trafen sich ihre Blicke. Nur widerwillig ließ Kenrick die Haarlocke los, die sich wieder an Havens Wange kringelte.
»Das wäre geschafft«, sprach sie und streckte die Hand aus; das Kettchen hing von ihren Fingern herab. »Ich habe die beschädigte Stelle ausgebessert.«
Er nahm ihr das Schmuckstück ab und legte es wieder auf den Schreibtisch. »Habt Dank.«
Eine bezaubernde Röte überzog ihre Wangen, und er machte sich bewusst, wie gern er Haven jetzt berührt hätte. Tatsächlich, er wollte sie sogar küssen, obwohl ihm ein solcher Wunsch nicht zustand.
Als sie
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