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Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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hatte die Hand erhoben, als habe sie im nächsten Augenblick anklopfen wollen.
    »Oh«, entfuhr es ihr leise.
    Kein Zweifel, sie war erschrocken, doch sie fasste sich rasch wieder und bedachte Kenrick mit einem kühlen Blick. Sie musste im Freien gewesen sein, denn Kenrick hatte das Gefühl, dass die kühle Nachtluft an ihrer Kleidung haftete. Erst jetzt bemerkte er, dass sie sich in einen von Arianas Umhänge gehüllt hatte, unter dem sie nur ihr Leinenhemd trug. Die dunkelblaue Wolle setzte sich auffällig von Havens feurig wogender Haarfülle ab.
    »Ich sah Licht unter dem Türspalt und da … nun, es war nicht meine Absicht, Euch zu stören.«
    »Das habt Ihr auch nicht.« Weiter hinten im Gemach gab das Talglicht ein zischendes Geräusch von sich. »Es ist spät, doch Ihr seid noch wach und wandelt durch die Gänge.« Er sah sie durchdringend an.
    »Ja, ich weiß. Ich … « Sie zuckte die Schultern. »Ich konnte nicht schlafen.«
    »Ich auch nicht, aber für mich ist das nicht ungewöhnlich.« Falten zeichneten sich auf seiner Stirn ab, während er ihr vom Wind zerzaustes Haar und die von der Kälte geröteten Wangen betrachtete. »Ihr seid auf den Wehrgängen gewesen?«
    Trotzig reckte sie das Kinn empor, als empfände sie seine neugierige Frage als weiteren Tadel. »Ist das auch ein Bereich Eures Burgfrieds, der mir verwehrt ist? Das wusste ich nicht. Bitte entschuldigt mein Vergehen.«
    »Haven, wartet. Es war nicht meine Absicht … « Er unterbrach sich und strich sich unschlüssig mit der Hand durchs Haar. »Glaubt Ihr, dass es uns gelingen könnte, ein einfaches Gespräch zu führen, ohne gleich aneinanderzugeraten?«
    Sie begegnete seiner Frage mit einem dünnen Lächeln, das verloren wirkte.
    »Stimmt etwas nicht?«, erkundigte er sich. »Ihr wirkt beunruhigt.«
    »Nein, es ist nichts. Ich hätte Euch nicht stören sollen … «
    Er streckte die Hand aus und bekam die junge Frau am Arm zu fassen. »Was ist geschehen? Ihr seid doch nicht ohne Grund an meine Tür gekommen. Sagt mir, was Ihr auf dem Herzen habt.«
    Sie zuckte wieder die Schultern, doch in ihren Augen lag ein unruhiges Flackern. »Vielleicht habe ich … mich an etwas erinnert, das in jener Nacht geschehen ist. Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung sein mag oder nicht.«
    »Das sollte vielleicht besser ich beurteilen. Kommt herein, Haven.«
    Er hielt ihr die Tür auf und bat sie mit einer einladenden Geste einzutreten. Mit zögernden Schritten betrat sie das Turmgemach und schaute sich sogleich in dem Raum um. Schließlich ruhte ihr Blick auf dem Schreibpult und all den Schriftstücken und Kodizes, die ungeordnet und teilweise in Stapeln auf der großen Tischplatte lagen. Kenrick trat rasch an das Pult und klappte die Tagebücher zu, an denen er zuvor gearbeitet hatte.
    »Erzählt mir, an was Ihr Euch erinnert habt«, sagte er, während er die dicken, in Leder gebundenen Bände zur Seite legte.
    Offensichtlich war sie verwirrt von den Erinnerungen, denn ihr für gewöhnlich feuriges Temperament wirkte erloschen, während sie ihn von der Tür aus beobachtete. Jetzt schluckte sie, und schließlich begann sie, von jener schicksalhaften Nacht zu berichten. Die meisten Umstände waren Kenrick allerdings bekannt, hatte er sich doch ausgiebig in den Ruinen umgesehen und mit den Leuten aus dem Dorf gesprochen.
    Haven erzählte ihm, wie sie an jenem Tag zur Burg gegangen war, um Elspeth mit Kräutern zu versorgen. Der Überfall ereignete sich allerdings erst später, mitten in der Nacht. Haven vermochte zwar nicht zu sagen, warum sie zu dieser späten Stunde immer noch auf der Burg weilte, aber jetzt erinnerte sie sich immerhin an weitere Einzelheiten jenes höllischen Infernos, das Rand und dessen Familie in den Tod gerissen hatte.
    »Alles ging so furchtbar schnell. Zunächst erfasste das Feuer die Stallungen und umliegenden Gebäude. Dann hielten die Angreifer inmitten des Durcheinanders auf den Burgfried zu. Ich hörte Schreie und sah all das Blutvergießen … Viele waren binnen Augenblicken tot.«
    »Habt Ihr irgendeinen der Angreifer genauer erkennen können?«, fragte Kenrick. Er wollte sie nicht mit zu vielen Fragen bedrängen, aber er brauchte Antworten. »War einer von ihnen – der Anführer vielleicht – ein großer Mann mit blondem Haar? Aber womöglich hat er auch seinen engsten Vertrauten vorgeschickt, um die Tat zu vollbringen. Ein gedrungener Ritter mit dunklem Haar und einem Wappen, das einen Drachen darstellt?«
    Haven

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