Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
nächtlichen Begegnung im Turmgemach, als eben diese Hand lange mit einer Locke ihres üppigen Haars gespielt hatte. Sie hatte sich nach mehr gesehnt und, Gott steh ihr bei, sie sehnte sich auch jetzt nach Zärtlichkeiten.
»Wie war euer Ritt?«, fragte Ariana die beiden Männer, während sie sich aus Braedons Umarmung löste.
Haven glaubte, dass aus den Blicken, die Kenrick und sein dunkelhaariger Schwager tauschten, Zurückhaltung sprach, aber rasch war dieser Eindruck wieder verflogen, überspielt von Braedons tiefer, männlicher Stimme.
»Es lief so, wie wir es erwartet hatten«, antwortete Arianas Gemahl.
»Ihr seid früher zurückgekehrt, als ihr beabsichtigt hattet«, merkte Ariana an.
»Aye«, pflichtete Kenrick seiner Schwester bei. »Doch wir bleiben nur die Nacht über hier. Gleich morgen früh brechen wir erneut auf.«
»So rasch?« Ariana legte den Arm enger um Braedons schmale Taille. »Habt ihr irgendetwas erfahren? Neuigkeiten, die uns nützlich sein könnten?«
»Es hat sich einiges getan«, antwortete Braedon und strich Ariana mit zärtlichen Fingern über die Wange, »aber nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssten.«
Sie bedachte ihn mit einem neckenden Blick. »Du weißt, was ich von Geheimnissen halte, mein Gemahl.«
»Gewiss, und daher werde ich dir auch alles berichten, meine Gemahlin«, erwiderte er in demselben scherzhaften Tonfall. Dann warf er einen verstohlenen Blick auf Haven, ehe er sich wieder der erwartungsvollen Miene seiner Frau zuwandte. »Wir können alles im Burgfried besprechen, nachdem ich mein Pferd versorgt habe. Wärst du so gut, mir ein Bad herzurichten? Nach dem langen Ritt freue ich mich auf einen warmen Zuber.«
»Also gut«, seufzte sie. Nur ungern löste sich Ariana von ihm. »Ich erwarte dich dann in unseren Gemächern, sobald Haven und ich Eier für die Küche gesammelt haben. Und lass mich nicht zu lange warten.«
Die Narbe auf Braedons linker Wange spannte sich, als er mit einem schelmischen Grinsen erwiderte: »Das würde mir nicht im Traum einfallen.«
Als sich die Frauen entfernten, verschränkte Braedon die Arme vor der Brust und stieß einen leisen, bewundernden Seufzer aus. »Sie ist wahrlich eine Seltenheit.«
»Was sagst du?«, fragte Kenrick, der den Blick immer noch nicht von Havens wiegenden Hüften losreißen konnte.
»Dass man eine solche Schönheit, Feuer und einen wachen Geist in einer einzigen Frau findet.« Braedon musterte ihn mit einem wissenden Blick. »Ein solches Glück lässt das Schicksal für gewöhnlich verdienstvolleren Männern zukommen, als wir es sind.«
»Das ist wahr.« Kenrick zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Wenn du es sagst.«
Die Bemerkung klang beiläufig, und doch dachte er noch einen Moment über Braedons Beobachtung nach. Haven war in der Tat eine ungewöhnliche Frau. Sie war schön, gewiss, das würde jeder Mann sofort zugeben. Aber ihre Ausstrahlung wurde nicht allein durch ihre äußeren Reize bestimmt.
Eine geheime Anziehungskraft ging von dieser Frau aus, wie Kenrick sich mit Schrecken eingestehen musste.
Sie war geistvoll, klug und ebenso faszinierend wie rätselhaft. Er wollte all ihre Geheimnisse lüften, all die Rätsel lösen, die diese Frau erst zu jenem verlockenden Geschöpf machten, das sich jeglicher Einschätzung entzog.
Tatsächlich, Haven verkörperte Feuer, Schönheit und Geist – er gab Braedon in jedem Punkt recht. Kenrick fiel es schwer, all die Vorzüge dieser Frau zu beschreiben, und schon allein deshalb regte sich in ihm der Wunsch, noch mehr über sie zu erfahren.
»Diese Frau ist wie ein schöner, facettierter Edelstein«, räumte er schließlich ein, während er seine Gedanken aussprach. »Wenn du mich fragst, übertrifft sie die Schönheit an sich.«
Braedon gab einen zustimmenden Laut von sich und widmete sich seinem Pferd.
Kenricks Aufmerksamkeit galt dagegen einzig und allein der schönen jungen Frau, deren beinahe überirdische Erscheinung den sonst so tristen Burghof mit einem strahlenden Leuchten zu erfüllen schien.
»Sei ehrlich«, fuhr Kenrick wie gebannt fort, »hast du jemals ein so hübsches Gesicht und so ansprechende Formen gesehen? Oder so prachtvolles Haar? Die Locken fühlen sich wie seidige Flammen an. Und ihre Augen – beim Allmächtigen, diesen ungewöhnlichen smaragdgrünen Augen wohnt ein Leben inne, durchsetzt von tausend goldenen und silbernen Pünktchen und anderen Schattierungen, die sich mir noch nie in einer solchen Pracht geboten
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