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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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bohren.
    Und Schuld.
    Dieses Gefühl spürte sie genauso stark wie die anderen, vielleicht noch stärker. Rand gab sich selbst die Schuld für das, was seiner geliebten Familie widerfahren war. Er fühlte sich verantwortlich für den Überfall und … für noch etwas anderes. Für den Tod der Seinen – insbesondere für Elspeths Ende, als klebe ihr Blut an seinen Händen. Der quälende Kummer dieses Eingeständnisses hinterließ einen bitteren Geschmack auf Serenas Zunge.
    Warum hatte er sie belogen, als er über seine Familie sprach? Er hatte vorgegeben, seine Frau und sein Sohn seien am Leben und warteten auf ihn. Dabei hatte er die ganze Zeit gewusst, dass seine Lieben in kalten Gräbern lagen, hatte er sie doch mit seinen eigenen Händen inmitten der schwelenden Ruinen seines Wohnsitzes bestattet.
    Schande, zischte die Ahnung. Das unbarmherzige Wispern drängte sich in die Seelenqualen, die Serena nun mit Rand teilen musste. Seine Schande saß tief und schwärte wie eine schlecht verheilende Wunde.
    Serena strauchelte. Eine Hand an ihr Herz gedrückt, versuchte sie, den Schmerz und eine aufkeimende Furcht zurückzuhalten, die sie noch nicht in ihrem ganzen Ausmaß erfasst hatte.
    Endlich erreichte sie die Hütte und hörte gleich, wie ihre Mutter die Scherben zusammenfegte und Rand wegen seines Wutanfalls mit leiser Stimme verwünschte. Serena blieb vor der Tür stehen, denn zunächst fand sie nicht die Kraft, über die Schwelle zu treten.
    Etwas anderes ließ sie seit dem Augenblick, da sie Randwulf of Greycliff berührt hatte, nicht mehr los. In dem lärmenden Durcheinander des Überfalls, in all dem beißenden Qualm und den fliegenden Ascheflocken hatte Serena etwas Erstaunliches und zutiefst Erschreckendes bemerkt.
    Sie hatte die Gesichter der Angreifer gesehen.
    Es waren keine Menschen gewesen, sondern Wölfe.
    Gestaltwandler, wie die Ahnung ihr zuflüsterte.
    Das Wort klang fremd in ihren Ohren; nie hatte sie etwas Ähnliches vernommen. Aber genau wie Rand wusste auch sie, was diese Bezeichnung bedeutete. Sie sah, wie die Bestien die Zähne fletschten, sie sah die messerscharfen Klauen, als sich die Untiere in dem Rauch auf Rand gestürzt hatten. Alles erschien ihr so unwirklich – obwohl sie sich damit abgefunden hatte, dass es in dieser Welt viele unerklärliche Dinge gab, gute wie böse. Dies jedoch, da war sie sich sicher, hatte mit dem Bösen in der Welt zu tun, mit dem sich niemand je belasten sollte.
    Aber Randwulf of Greycliff hatte es durchlebt. Er hatte das Grauen überstanden. Und wie die Ahnung ihr verriet, hatte er nur aus einem Grund überlebt: Er wollte sich an dem Mann rächen, der unschuldige Menschen mit diesem unheiligen Schrecken überzogen hatte. Diesen Mann wollte Rand töten.
    Nichts und niemand würde ihn davon abhalten. So verriet es ihr die Ahnung, die die Wahrheit in Rands verbittertem Herzen las.
    Er würde sich nicht aufhalten lassen … schon gar nicht von einer jungen Frau, die über das Zweite Gesicht verfügte. Hielt er sie wahrlich für eine Hexe? Glaubte er, sie sei mit dem Teufel im Bunde?
    Rand hatte es zwar nicht gesagt, aber dennoch schnürten ihr seine finsteren, unausgesprochenen Gedanken auch jetzt noch schier das Herz ab. Serena öffnete die Tür, ließ ihre Mutter mit leisen Worten wissen, dass alles gut sei, und kniete sich dann neben sie, um die restlichen Scherben aufzuheben, die in der Nähe des Herdfeuers den Boden bedeckten.

8
    Der Vormittag verging, und doch blieb die Ahnung Serenas unwillkommener Begleiter. Zu ihrer Erleichterung hatte sich Rand die meiste Zeit über außerhalb der Hütte betätigt. Er entschuldigte sich nicht für den Schaden, den er in seiner Wut angerichtet hatte, aber mit diesem Verhalten hatte Serena gerechnet, denn Calandra hatte nie ein gutes Haar an den Männern gelassen. Daher war sie überrascht, als er unaufgefordert Wasser holte, nachdem die Scherben und die verdorbenen Binsen zusammengefegt worden waren. Calandra nahm den Eimer Wasser mit einem mürrischen Dankeswort entgegen, doch Rands Blick galt nur Serena.
    Diese weigerte sich, die kleine Aufmerksamkeit als eine Geste der Reue anzuerkennen, aber es fiel ihr schwer, Rands Gegenwart auszublenden. Insbesondere, da er sich die ganze Zeit über in der Nähe der Hütte aufhielt, Serena immerzu beobachtete und womöglich nur auf den Augenblick wartete, in dem sie sich als die verachtenswerte Hexe erwies, für die er sie zweifellos hielt. Sie konnte nicht frei durchatmen,

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