Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
etwas antaten.
Durch das Laub sah er die rauschenden Wasser eines Sturzbachs. Das war das Geräusch gewesen, das er in seiner Wahrnehmung falsch gedeutet hatte. Fahles Mondlicht ergoss sich über die Schleier aus fließendem Weiß und verlieh dem rauschenden Wasser einen bläulichen Schimmer. Am Fuße der hinabströmenden Wasser lag ein Weiher, dessen Wellen ein Glitzern wie von unzähligen funkelnden Sternen zierte.
Dort stand sie, dicht am Ufer des Weihers, eben erst dem funkelnden Wasser entstiegen. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet, ihr Körper war unbekleidet und schimmerte sanft. Die Zeit schien langsamer zu vergehen, die Gespinste der Vergangenheit verblassten, als Rand die Wirklichkeit um sich herum wahrnahm.
Dort stand Serena.
Nicht Elspeth.
Ihm blieb nur ein kurzer Augenblick, ihre glatte weiße Haut zu sehen – lange Beine, zart geschwungene Hüften, eine schmale Taille und die betörend vollkommenen Rundungen der Brüste – , ehe Serena nach ihrem Umhang griff und ihre Reize vor seinen staunenden Blicken verbarg. Wasser tropfte aus den Spitzen ihres offenen Haars. Rinnsale, in silbernes Mondlicht getaucht, liefen ihr die Beine hinunter bis auf ihre schlanken bloßen Füße und bildeten eine kleine Lache auf dem flachen Fels, auf dem sie stand. Rasch zog sie sich den Umhang enger um die Schultern, die eine Hand an die Brust gedrückt, die andere auf Taillenhöhe in der Stofffülle vergraben. Doch diese züchtige Geste kam zu spät. Längst hatte sich ihm der Anblick ihres bloßen Leibes ins Gedächtnis gebrannt.
Serena.
Das war nicht seine Gemahlin.
Und sie war nicht im Geringsten in Gefahr, sondern hatte ein Bad genossen – bis er wie ein Irrsinniger durch das Dickicht gestürmt war, den Namen seiner toten Frau rufend. Serena blickte ihn stumm an, offenbar unschlüssig, was sie sagen sollte.
»Was ist geschehen?«, fragte sie ihn schließlich. Rand aber brachte kein Wort hervor.
Sie hob ihr langes Unterhemd auf, das sie in ihrer Eile nicht hatte anziehen können. Das gefaltete Kleidungsstück an die Brust drückend, kam sie auf ihn zu, ohne Furcht. Ohne etwas von den aufwühlenden Gefühlen zu ahnen, die ihn in diesem Augenblick bestürmten.
»Ich hörte, wie Ihr nach … jemandem rieft.« Ihr Blick war mitfühlend, als sich ihre Stimme verlor, denn zweifellos wollte sie ihm die Demütigung ersparen, sein überhastetes Erscheinen zu erklären. »Rand? Stimmt irgendetwas nicht?«
Ja, antwortete er im Stillen. Es stimmte wirklich etwas nicht.
Die Trugbilder, die ihn an diesen Ort geführt hatten, lösten sich auf, und die geisterhaften Erinnerungsfetzen, die ihn seit der Nacht des Überfalls tagein, tagaus heimsuchten, fielen wieder von ihm ab. Doch in seinem gegenwärtigen Zustand verunsicherte ihn nichts so stark wie die heftigen Empfindungen, die ihn durchströmten, als er Serena so vor sich stehen sah.
Sein Leib regte sich. Seine Männlichkeit, zu lange schon unterdrückt, erwachte sofort bei dem verlockenden Anblick, den Serena bot: Ihr dunkles Haar fiel ihr in feuchten Wellen weit über die Schultern, ihr Antlitz leuchtete blass, und die Rundungen ihres bloßen Leibes blieben auch unter den Falten ihres langen Umhangs nicht verborgen. Rands Herz pochte schnell und ließ ihn die verwirrenden Bilder vergessen, die ihn zu dem Weiher gelockt hatten. Doch die namenlose Furcht wurde nun von einem Verlangen verdrängt, das ihm keineswegs zustand.
»Ich bin gekommen, um in aller Ruhe ein Bad zu nehmen«, sagte Serena ein wenig hastig, denn offenbar war ihr sein beharrliches Schweigen unangenehm. »Ich hielt es nicht für nötig, erst zu fragen – ich meine, nach unserem gestrigen Gespräch dachte ich, Ihr würdet nicht von mir verlangen … «
Sie verstummte. Vielleicht spürte sie, dass er keine Rechtfertigung von ihr erwartete.
Er sollte besser kehrtmachen und den Ort verlassen, das war ihm bewusst. Die Schicklichkeit gebot es, auch wenn Serena dies in all ihrer Unschuld nicht verlangte. Da sie in all den Jahren zurückgezogen in diesen Wäldern gelebt hatte, abseits der unverhohlenen Begierden der Männer, konnte sie unmöglich erahnen, welche Gedanken ihm in diesem Augenblick durch den Kopf gingen. Ein Grund mehr, nicht länger hier zu verweilen, denn jede Faser seines Leibes verspannte sich unter dem Ansturm einer ungebetenen und fiebrigen Begierde.
»Rand?«
Sie kam näher und löste damit neue Qualen in ihm aus, erhaschte er doch einen Blick auf ihre bloßen Beine, die bei
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