Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
vor Augen. Serena suchte Rands Nähe und umschloss seinen Unterarm mit ihren behandschuhten Händen, während sich die Marktbesucher wieder ihren Geschäften zuwandten. Die kleine berittene Abteilung hatte inzwischen die Schenke erreicht, wo die Wachen absaßen und der Schankstube zustrebten.
»Sah dein Leben früher auch so aus?«, fragte Serena, als sie und Rand langsam weitergingen. »Lachen und Gefährten, Bier und Weiber für Sir Randwulf of Greycliff?«
Er lächelte, entsann er sich doch seiner hochnäsigen Jugend. »Vielleicht war ich als Knappe und junger Ritter nicht viel anders. Doch es ist lange her, dass ich mir die Sporen als Ritter verdient habe – noch ehe Greycliff Castle nach dem Tod meines Vaters an mich fiel. Ich war sicher nicht weniger töricht als diese einfältigen Kerle. Mein Stolz war mein Schwert, und ich war froh, wenn ich den Tag im Sattel verbringen konnte und am Abend einen Krug mit Ale in der Hand hatte.«
»Und ein williges Weib im Arm?«, neckte sie ihn und warf ihm einen spitzbübischen Seitenblick zu.
Er zuckte die Achseln und verzog den Mund zu einem Grinsen. »Auch das, ja.«
Sie erreichten das Herzstück des Marktplatzes und gingen zu den Ständen, an denen die Händler Schmuck und Werkzeuge feilboten. Rand blieb bei einem beleibten Verkäufer stehen, dessen Hals goldene Ketten zierten. Auf ausgebreitetem Leinenstoff stellte der Kaufmann eine Anzahl glatt geschliffener Edelsteine aus, deren Farbschattierungen von Braun über leuchtendes Grün zu blassem Gelb reichten. Daneben lagen funkelnde goldene Ringe und Ketten unterschiedlicher Stärke, die in der Nachmittagssonne glitzerten.
Serena vergaß zu atmen, als ihr Blick auf die Edelsteine und die anderen Schmuckstücke fiel. »Rand, schau nur! Hast du je etwas so Schönes gesehen?«
Der Händler hatte ein unternehmerisches Lächeln aufgesetzt und schien hocherfreut, dass Serena seine Waren mit so offenkundiger Bewunderung bedachte. Gewiss malte er sich im Geiste bereits seinen Gewinn aus.
Serena war gerade im Begriff, sich weiter über die Schmuckstücke auszulassen. Als sie nun aber zu Rand blickte, sah sie, dass er Elspeths Anhänger samt Kette in der Hand hielt. Fragend, beinahe traurig sah sie ihn an. Langsam schüttelte sie den Kopf.
»Rand, du hast doch nicht etwa vor, den Anhänger zu verkaufen?«
»Es ist gut so«, erwiderte er, und seine Finger schlossen sich um die Goldkette und das fein gearbeitete Herz. »Ich bin bereit, mich davon zu trennen. Ich brauche Geld, um nach Schottland zu kommen. Vielleicht finde ich ein brauchbares Schwert, das nicht zu teuer ist.«
Er wandte sich an den Mann hinter den Auslagen. »Eine hübsche Sammlung«, sagte er und legte dann Elspeths Anhänger auf das weiße Leinen auf dem Tisch. »Würdet Ihr dieses Stück gerne hinzufügen?«
Der Kaufmann strich sich die geröteten Wangen und verzog abwägend den Mund, als er die Kette in die Hand nahm. Er schien nicht sonderlich beeindruckt.
»Die Kette ist gebrochen, aber sie ist aus Gold. Wie auch der Anhänger.«
Der beleibte Mann begegnete Rands Worten nur mit einem unbestimmbaren Grunzen. Schließlich blies er die Backen auf und stieß übertrieben den Atem aus, der nach rohen Zwiebeln roch. Langsam ließ er die Kette durch seine dicken Finger gleiten und legte sie wieder auf das Leinen. »Fünfzehn Shilling.«
Rand unterdrückte den Fluch, der ihm auf der Zunge brannte. »Das ist zu wenig. Ich habe damals schon mehr bezahlt, als ich das Schmuckstück in London kaufte.«
»Mag sein, aber dies hier ist nicht London«, beschied ihm der Händler mit einem selbstgefälligen Lächeln.
Rand überlegte, ob er die Kette gleich wieder einstecken sollte. Am liebsten hätte er den kleinen dicken Mann jedoch am Kragen gepackt und für diesen unverschämten Preis ordentlich durchgeschüttelt. Aber er musste nehmen, was ihm geboten wurde, daher zügelte er seinen Zorn und sagte nichts.
Serena wurde unruhig, aber Rand merkte erst, was sie vorhatte, als sie die bloße Hand ausstreckte und das haarige Handgelenk des Händlers umschloss. Mit gerunzelter Stirn blickte der Mann auf die unsittliche Berührung, aber Serenas Lächeln war so voller Unschuld – und schon im nächsten Augenblick verzog er seinen Mund zu einem männlichen, beinahe anzüglichen Grinsen.
»Dieser Anhänger ist fein gearbeitet. Gewiss ist er mehr wert als die Summe, die Ihr nanntet?«, sprach Serena in freundlichem Ton.
Der Verkäufer stotterte etwas vor sich hin und
Weitere Kostenlose Bücher