Der Kelim der Prinzessin
gegen den Willen des Herrschers erhoben hatte. Der Oberhofmeister hätte ihnen gern auch den unseligen Lulu, den Atabeg von Mossul, vorgeführt, doch der war - da sein großartig angekündigtes Huldigungsgeschenk, ein Riesenteppich aus Täbriz, nie eingetroffen - unter entsetzlichen Qualen vor einigen Tagen in seinem engen Gefängnis verendet. So befahl der Oberhofmeister den Käfig, der seitdem leer vor dem Prunkzelt stand, ins Quartier des Generals Sundchak zu schicken, damit der den Emir von Mayyafaraqin hineinstecke und ihn herbrächte. Diese Order war bereits ergangen, als Kitbogha endlich vor Hulagu treten konnte.
Yves der Bretone hatte sich zum Zelt der Prinzessin begeben, um sie abzuholen. Er fand Yeza aufgelöst in Tränen vor. Es dauerte seine Zeit, der mönchische Yves hatte keine Erfahrungen mit Frauen, besonders nicht mit weinenden, bis der Bretone aus der heftig Schluchzenden brockenweise herausgeholt hatte, was passiert war. Die jungen mongolischen Mädchen, die man ihr als Zofen geschickt hatte, waren plötzlich kichernd vor die Zelttür gelaufen. Feierlich wie in einer kirchlichen Prozession war gemessenen Schritts ein Käfig vorbeigetragen worden. In ihm hockte mit verwildertem Bart gleich einem gefährlichen Tier El-Kamil und hatte sie mit glühenden Augen angestarrt. Als sie seinem für sie schwer erträglichen Anblick auszuweichen suchte, glitten ihre Augen hoch zu den Lanzen, auf deren Spitzen abgeschnittene Köpfe steckten. Mit Schrecken erkannte sie die Gesichter der Derwische, die im Garten der Zenobe ihre lieben Gäste gewesen, doch das Haupt, das über der Ecke des grässlichen Gehäuses thronte, fiel ihr durch das lang herabfallende Haar auf. Sie war wie gelähmt, langsam wankte der Schinderkäfig an ihr vorüber, da drehte sich der Frauenkopf auf der Stange, und sie starrte in das wachsbleiche Antlitz ihrer schönen Freundin Clarion. Yeza wollte schreien, aber sie brachte keinen Ton heraus. Sie war zurück in das Zelt gestürzt, hatte die Mädchen mit Schlägen davongejagt - und hatte seitdem geheult, hemmungslos. Yves hätte die Verzweifelte gern in
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den Arm genommen, aber er wusste auch nicht, welchen Trost er ihr spenden sollte. Hilflos stand er vor Yeza, die immer wieder von zu Herzen gehendem Schluchzen geschüttelt wurde. Ihr in diesem Zustand vorzuschlagen, sie solle jetzt dem Il-Khan ihre Aufwartung machen, war völlig absurd! Wenn es ihm gelingen würde, sie zu überreden, lief er Gefahr, dass sie Hulagu die Augen auskratzte. So ließ er Yeza allein.
Der muntere Baitschu tauchte auf. Der Bretone befahl ihm, vor dem Zelt Wache zu stehen und niemanden zur Prinzessin vorzulassen. Erstaunlicherweise begriff der Knabe sofort die schreckliche Lage, in der sich Yeza befand, und versprach dem Herrn Yves, sich nicht von der Stelle zu rühren und keinem zu gestatten, die Schwelle zu übertreten!
Verfolgt von den Bildern, die Yeza vor ihm ausgebreitet hatte, begab sich der Bretone zum Prunkzelt des Hulagu. Er war bereit, in Ungnade zu fallen, aber er musste dem Herrscher klarmachen, dass die Mongolen im Begriff waren, ihre Friedenskönige zu verlieren, und zwar für immer!
ARSLAN DER SCHAMANE stand unbeweglich zwischen den schroffen Felsen der Gebirgskette, die im
Westen die Wüste begrenzte. Seine Gestalt schien eins mit dem Stein, der Bär lagerte zu seinen Füßen. Weit unter ihm, am Fuß der Klippen hielt eine Patrouille der Mongolen. Sie starrten gebannt auf den einzelnen Reiter, der aus der Wüste heranfegte, genau auf sie zu. Schon von weitem erkannten sie ihn als Iltschi. Seine hochaufragende Standarte mit dem Reichsemblem machte ihnen sofort Respekt. Schnell sprangen sie von ihren Tieren ab und verneigten sich ehrerbietig vor dem Staatsboten. Der Iltschi musterte mit kundigem Blick ihre Pferde, griff sich das beste, schwang sich in den Sattel, nickte dem sich nochmals verbeugenden Anführer zu und stob wieder davon, weiter gen Westen, der glutrot untergehenden Sonne entgegen.
Auch Arslan sah ihm lange nach. Ein Iltschi aus dem fernen Karakorum, dem Sitz des erhabenen Großkhan, brachte selten gute
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Nachrichten. Dieser hier, das spürte der Schamane ganz deutlich, war ein Künder von großem Unheil -
DAS CASTELLUM REGIS, die Burg der Könige von Jerusalem am Regierungssitz zu Akkon, strahlte von jeher wenig Glanz aus. Seine Nüchternheit gemahnte an das Provisorium, an die Notlösung, allein der Name des
»Königreiches von Jerusalem« hielt den nie aufgegebenen
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