Der Kelim der Prinzessin
Anspruch auf die eigentliche Hauptstadt aufrecht. Die allerdings hatten die Christen nun schon bald vor hundert Jahren an den großen Saladin verloren. Einen König hatten sie auch nicht mehr, Königin Plaisance regierte das, was von dem Reich noch übrig war, von Zypern aus.
Sie ließ sich vor Ort durch einen bailli vertreten, dessen Hauptaufgabe es war, die ständigen Streitereien zwischen den Seerepubliken Genua, Venedig und Pisa zu schlichten und die beiden größten Ritterorden davon abzuhalten, sich die Schädel einzuschlagen. Deswegen hatte der redlich bemühte Herr Gottfried von Sargines auch alle Überredungskunst aufwenden müssen, die beiden Großmeister, die Herren Thomas de Berard für den Tempel und Hugo de Revel für den Johanniterorden, zu bewegen, sich gleichzeitig bei ihm im Castellum, sozusagen an einem neutralen Ort, zu treffen. Um diese Begegnung nicht durch unnötige Zeugen zu belasten, hatte er von den Baronen des Königreiches nur einen dazugebeten, allerdings den wichtigsten, Philipp de Montfort, den Herrn von Tyros, - von der hohen Geistlichkeit hingegen niemanden. Es ging schließlich um politische Entscheidungen von einiger Tragweite, Fragen des Glaubens hätten die Suche nach einer Lösung nur zusätzlich erschwert.
So saßen die vier ergrauten Männer schließlich allein im Arbeitszimmer des Bailli. Ihr Gefolge, ihre Leibwachen hatten sie im Kronsaal zurückgelassen, mit der Ermahnung, sich nicht provozieren zu lassen und sich auch nicht zu schlagen, selbst in Anbetracht, dass zwischen den Ordensleuten manche Rechnung offen stand. »Wir sollten zu einer gemeinsamen Linie finden«, fasste Herr Gottfried seine Wünsche zusammen. »Wir haben die Mongolen 256
schließlich ins Land gerufen, damit sie uns zum Sieg über den Islam verhelfen.« Keiner seiner Zuhörer verzog eine Miene, die leidige Feststellung entbehrte nicht eines gewissen Wahrheitsgehalts, als Tatsache war das Hilfsersuchen unbestreitbar, auch wenn die Fehleinschätzung von dessen Konsequenzen ihnen längst zum Hals raushing. »Wenn wir ihnen jetzt keinen schlüssigen Plan zum gemeinsamen Handeln vorlegen, dann werden sie uns nicht länger als Bundesgenossen betrachten, sondern unsere Unterwerfung verlangen - «
»Wie es Herr Bohemund für Antioch ihnen bereits angedient!«, spottete der Herr von Tyros bitter.
»So macht man dem II-Khan Appetit«, pflichtete ihm Hugo de Revel bei. »Wir sollten Initiative und Stärke zeigen, indem wir schleunigst das herrenlose Damaskus besetzen, dann nehmen sie uns wieder ernst!«
»Ich Euch immer weniger, Hugo de Revel!«, fuhr ihm der Großmeister des Tempels über den Mund.
»Damaskus! Haha! Stecht nur in diesen honigtriefenden Bienenkorb, dann habt Ihr die Stacheln der gesamten islamischen Welt in Eurem weichen Sitzfleisch stecken, die Mamelucken an der Spitze!«
»Wäre dennoch zu überlegen«, bemerkte Philipp de Montfort sinnend, »so kämen wir zu einem soliden Ausgleich der Kräfte: hier die furchtbaren Mongolen, dort die lästigen Ägypter - und wir mit Damaskus das Zünglein an der Waage!«
»Wisst Ihr, Herr Philipp, wie es sich hernach anfühlt, wenn man im Eifer des Gefechts seine Zunge mutwillig zwischen Harnisch und Visier herausstreckt?!«, verlachte der Templer jetzt auch den Herrn von Tyros.
»Meine Herren!« Gottfried von Sargines suchte den aufkommenden Streit einzudämmen. »Die Mongolen stehen bei Baalbek, Damaskus liegt vor ihnen auf silberner Schüssel dargereicht! Der Il-Khan würde es uns sehr verübeln - «
»- wenn wir es wagen, ihm in die Suppe zu spucken!«, knurrte Philipp verächtlich.
»Also harren wir, bis auch wir zu Tisch gebeten werden!«, höhnte Thomas Berard.
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»Die Templer haben gut reden!«, gab sich nun auch Hugo de Revel angriffslustig. »Sie warten nicht, welche Knochen für sie abfallen, sie bedienen sich der Filetstücke des Königreiches!«
»Will der Orden vom Hospital die Schulden des Julian de Beaufort begleichen?«, schlug sofort der Großmeister vom Tempel zurück. »Sidon war als Pfand längst überfällig - und von Rechts wegen auch Beaufort, das dieser wortbrüchige Herr nicht herausrücken mag - «
»Ein Straßenräuber!«, Philipp de Montfort hielt mit seiner Geringschätzung des Standesgenossen nicht hinterm Berg. »Mit solchen Leuten legen wir nirgendwo Ehre ein - «
»Nicht einmal bei den räuberischen Mongolen, wolltet Ihr wohl sagen?«, spöttelte Herr Thomas. »Wir sollten uns klar werden darüber, was wir
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