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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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worden, dass sich selbst lang gedientes Personal in dem Gewirr von Treppenläufen, verwinkelten Innenhöfen und Seitenflügeln auf unterschiedlichen Ebenen nicht völlig auskannte.
    Erst recht entpuppte sich die Anlage als Labyrinth, wenn man in die Kellergrüfte hinabstieg. Geheime Verliese und Fluchtwege mündeten in ein weit verzweigtes Katakombennetz, versteckte Zisternen wechselten mit unauffindbaren Schutzkammern, uneinnehmbar für Nichteingeweihte. David der Templer, immer noch auf verzweifelter Suche nach seinem Freund Josh dem Zimmermann, vermutete ihn ausgerechnet hier in den düsteren Tiefen des Palastes. Für mich konnte der liebenswerte Kabbaiist, wenn er denn in ihm oder uns nicht Wohlgesonnene Hände gefallen war, eher auf der Zitadelle gefangen gehalten werden als ausgerechnet hier im Palast, von dem jeder wusste, dass der Trencavel ihn über kurz oder lang in Beschlag legen würde. Doch David ließ sich nicht davon abbringen, zumal nachdem ihm einige der Köche schauerliche Geschichten aufgetischt hatten, von Eingekerkerten, die man nicht etwa vergessen, sondern einfach nicht wieder gefunden hatte, bis man nach Jahren zufällig auf ihre Skelette stieß.
    Die Stadt rund um den Palast brodelte nicht, sondern grummelte leise und gefährlich. Das Summen nahm jeden Tag zu, und die Armenier, die es als Einzige hinaus in die Soukhs zog, berichteten von zunehmend feindlicher Stimmung unter der Bevölkerung. Schließlich ließ sich auch der Baouab wieder blicken, der seinem neuen Herrn Trencavel - allen vorangegangenen Treueschwüren zum Trotz - seit dem Unglück tunlichst aus dem Wege ging.
    Er kam als Sprecher des »Volkes von Damaskus«, und ich muss ihm zugute halten, er nahm kein Blatt vor den Mund. Die Geschichte mit dem Elefanten würde von den meisten Leuten als böses Omen angesehen. Der Trencavel würde als Herrscher der Stadt kein Glück
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    bringen, und da die Mongolen vor der Tür stünden, wolle man sich jetzt auch nicht an einen neuen Malik binden, von dem man nicht wüsste, ob er dem Il-Khan wirklich genehm sei. Man habe keine grundsätzlichen Einwände gegen Roc - jetzt wurde der Baouab deutlicher -, aber die Tatsache, dass er ohne die Prinzessin Yeza erschienen sei, spräche ebenfalls nicht für sein Verbleiben innerhalb der Mauern. Rog hatte sich die Frechheiten des Dieners schweigend angehört, aber Terez und Guy warfen den Unverschämten aus dem Raum, in dem das Treffen stattgefunden hatte. Damit war aber auch klar, dass der Palast uns Fremden keinen Schutz bieten würde, jedem kundigen Eindringling jedoch offen stand wie ein Taubenschlag. Dann kamen die Armenier und berichteten -
    nicht ohne Schadenfreude, wie mich deuchte -, das Volk rotte sich bereits an einigen Stellen, so im Bazar der Stadt, zusammen. Auch hätten sie diesen Ali gesehen, der die Leute gegen uns aufhetzen würde. Genau in diesem Moment erschien kreideweiß und völlig verstört David der Templer. Er hatte Josh gefunden, erhängt in einer fensterlosen, ehemaligen Zisterne, deren einziger Zugang durch die Palastküche führte. Bei den Köchen hießen die Gewölbe burj al saraseer, »Turm der Kakerlaken«. Nach seiner Leichenstarre zu schließen, müsse der Zimmermann schon vor zwei Tagen zu Tode gekommen sein.
    Der Trencavel gab den Befehl zum Aufbruch. Er geriet zum Ausfall, denn inzwischen hatten sich schon erboste oder aufgestachelte Bürger auf dem Kelim eingefunden, wo sie drohend ihre bewaffneten Fäuste schwangen.
    Mitten unter sie sprengte Roc, umgeben von seinen Okzitaniern und gefolgt von den zehn Rittern aus Anti-och, sowie David dem Templer. Die Leute wichen erschrocken zur Seite, und so trabte der Trencavel erhobenen Hauptes, doch finsteren Blickes zur Stadt hinaus. Mich hatte keiner aufgefordert mitzukommen - es war mir nicht gelungen, die Gunst des Trencavel nochmals zu erringen, wohl auch, weil er wusste, dass ich immer ein unbeugsamer Befürworter des Königlichen Paares »in seiner Gänze« bleiben würde und nie meine
    unverbrüchliche Zuneigung zu Yeza für ein noch so attraktives Amt am Hofe eines >Malik Rog< aufzugeben bereit wäre! Zurück mit mir blieben der Kelim und
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    die fünf Armenier, die Roc kurz vor seinem Auszug aus Palast und Stadt den Dienst aufgekündigt hatten.
    Allerdings preschten sie zu seinem Schutz noch mit bis zum südlichen Bab Keisan, durch das der glücklose Trencavel Damaskus verließ. Der im Handumdrehen wieder aufgetauchte Baouab wirkte sehr erleichtert und bewirtete

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