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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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beeinflussen vermag?«
    Genau das wollte der Bretone, selbst durch und durch ein Mann kriegerischer Gewalt, nicht gelten lassen. »Das Wesen Eurer Bestimmung, Prinzessin, ist jedoch, dem uns unabänderlich gültig Scheinenden etwas Neues entgegenzusetzen, Euch nicht mit der furchtbaren Gleichgültigkeit von Mord und Totschlag abzufinden -« Yeza wich seinem beschwörenden Blick aus, weil sie die
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    Trauer in seinen Augen nicht ertragen wollte. »Dieser Frieden der Könige findet sich auf keiner Blumeninsel, wo in klaren Bächlein die Forellen springen, wo sich die Äste unter den Früchten herniederbiegen und die erfüllt ist mit Kinderlachen. Er muss täglich unter uns aufs Neue erkämpft werden, der Wert seiner Prinzipien immer wieder unter Beweis gestellt werden!«
    Lächelnd sah Yeza ihn an. »Mir scheint, Herr Yves, dass Ihr derjenige seid, der sich auf ein Eiland im blauen Meer träumt!« Ihr Blick folgte dem seinen, der hinausging in das Land. Sie hatten die letzte Erhebung einer Hügelkette erreicht, und unter ihnen, in der Ferne, dehnte sich von Mauern und Türmen umgürtet das Häusermeer von Damaskus.
    »Ihr habt Recht, Prinzessin, ich möchte heimkehren in die grüne Kühle Frankreichs, an die rauen Gestade der Bretagne - dort will ich mich in einem Kloster einschließen und nur noch lesen - «
    »Ihr dürft mich jetzt nicht allein lassen, Yves«, entfuhr es Yeza erschrocken, »besonders nicht nach dem, was Ihr von mir verlangt.«
    Der Bretone lächelte. »Das brächte ich auch nicht übers Herz!«
    Sie ritten zurück. Yeza war zwar weder von der Richtigkeit der bevorstehenden Schritte überzeugt, noch davon, dass sie ihr - in alleiniger Vertretung des Königlichen Paares - Glück bringen würden. Sie war froh, dass Roc nicht greifbar war - so sehr sie ihn bisweilen vermisste -, sodass die offizielle Inthronisierung, die sie beide in fataler Weise an dieses zweifelhafte Königtum ketten würde, erst einmal noch aufgeschoben blieb. Keinesfalls war Yeza gewillt, an einer - wie auch immer gearteten - provisorischen Krönungszeremonie teilzunehmen! Yeza war zur Erkenntnis gelangt, und das hatte ihr auch der Bretone nicht auszureden vermocht, dass es sich um ein giftiges Phantomgebilde handelte, wie es nur die bösen djinn ersinnen können, das wie der Geist aus der Flasche entwichen, sich als dunkle Wolke immer dicker aufblähte. Und keiner brachte den Mut auf, es zu vertreiben, in Stücke zu zerblasen. Eher ging man das Risiko ein, dass sie und Roc auf der Jagd nach diesem Trugbild auf der Strecke blieben, Opfer auf dem Altar
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    der schönen Idee des Friedens! Yves den Bretonen sah Yeza dabei durchaus als einen Freund, auf den sie sich verlassen konnte, aber er war auch einer der Jäger.
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Mitten auf dem Kelim hatte man für Ali einen Thron aufgestellt, ein Podest aus Holz, schnell
    zusammengezimmert, denn die bisherige Konstruktion hatte ja der Elefant zertrümmert. Darauf einen hochlehnigen Sessel, in dem der Malik in glühender Mittagshitze hockte. Ich musste neben ihm stehen, wie ein Secretarius. Dem Baouab oblag es, einen seidenen Schirm über ihn zu halten, von dessen Schatten ich jedoch nicht profitieren durfte. Die fünf Armenier knieten, die Hände auf den Rücken gefesselt, nebeneinander am Rande des Teppichs, und hinter ihnen stand breitbeinig mit mächtigem blankem Krummsäbel der Scharfrichter.
    Wir warteten, endlos schien die Zeit zu verrinnen. Als dann der erste, von fern verwehte Ruf eines Muezzin in der flirrenden Hitze an mein Ohr drang, nahm ich allen meinen Mut zusammen, verbeugte mich knapp vor Ali, ohne ihm in die Augen zu schauen. Ich schritt hastig über den Kelim auf die Todgeweihten zu, denn jetzt tönte auch mächtig die Aufforderung Allahu akbar! Allahu akbar! zum salat al thuhr, dem Mittagsgebet vom Minarett der nahen Moschee.
    Ashadu an la illaha illaha! Ashadu ana Muhamadan rassululah!
    Im Laufen zerrte ich mein hölzernes Kruzifix aus der Kutte, ich trat vor jeden Einzelnen, hielt ihnen den Heiland an die Lippen.
    »Christus ist mit dir!«, murmelte ich jedes Mal, gegen das dröhnende Krächzen des Muezzin an:
    Haya alla as-salah! Haya alla as-salah!
    Haya alla alfaiah! Haya alla alfaiah!
    ... das in sich überschlagenden Rufen dem Abschluss der fatalen Sure immer näher rückte. Da kam völlig unangebracht und stolpernd der Kommandant der Garnison quer über den Teppich
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    gerannt, hinter ihm erschollen aufgeregte Rufe aus den

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