Der Kelim der Prinzessin
fragte er entsetzt die Dame, die umgeben von kichernden Zofen und Mägden vor dem dampfenden Zuber stand.
»Schaden könnte es nicht«, erklärte sie ihm lächelnd. »Ihr würdet besser riechen - und wir könnten in der Zeit Eurer Clamys wieder zum blütenweißen Glanz verhelfen, jetzt wirkt sie von weitem wie die verkackte Kutte eines Minoriten - eigentlich eine Schande für den eitlen Orden, dem Ihr angehört!«
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David sah betroffen an sich herunter, »weiß« konnte man das nicht mehr nennen! Er schälte sich aus dem Überwurf und überließ ihn den Mägden. Frau Johanna schaute ihn an, sie tat das in einer Weise, dass sich der Templer nicht gedrängt fühlen sollte oder befürchten musste, seine Keuschheit sei in Gefahr - es sei denn, er wollte selbst das strikte Gebot des Ordens abstreifen wie seine Clamys. Doch David wankte nicht, also musste die zielstrebige Dame zu anderen Mitteln greifen.
»Wie grässlich zerschlissen ist denn Euer Wams?!«, rief sie mit gespielter Entrüstung und griff ihm beherzt an das letzte Kleidungsstück, das er noch auf der nackten Haut trug, vorn und hinten aus festem Leder wie ein Koller, aber darunter mit härenem Sacktuch gefüttert - nicht etwa zur Bequemlichkeit des Trägers, sondern als stete Kasteiung vom Orden vorgeschrieben. Dieses Futter zerriss Johanna gekonnt und unwiederbringlich.
»Oh!«, sagte sie mit erschrockenem Bedauern. »Das müssen wir ganz neu nähen.« Damit hatte sie den Templer völlig überrollt, die aufsteigende Scham verringerte seine Verwirrung mitnichten. »Gebt nur her!«, gurrte Johanna und zerrte beherzt an dem Wams.
Der einarmige David ließ es mit sich geschehen, und weil er sich mit entblößtem Oberkörper nicht den Blicken der jungen Weiber aussetzen wollte, willigte er jetzt auch ein, in ein Tuch gehüllt in den dampfenden Zuber zu steigen. Die Mädchen begannen damit, ihm den Rücken mit Lauge einzureiben, bald schon fühlte er ihre Hände auf den Schultern - David schloss die Augen.
Stolz stürmte Johanna an ihrem Ehemann vorbei in ihre Kemenate. »Ich hab 's!«, sie schwenkte das zerrissene, beißend streng dünstende Wams wie eine Jagdtrophäe. »Bringt mir nun den Brief«, forderte sie ihn auf, »damit wir ihn unter dem neuen Futter mit einnähen können!«
Julian zog das vorbereitete, eigens verknitterte Pergament mit einem triumphierenden Lächeln aus seiner Brusttasche. »Ich habe es walken und so lange klopfen lassen, dass es nicht mehr knistert und wispert als eine in der Mehlkammer versteckte Maus!«
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Johanna knüllte das verräterische Schreiben dennoch zur Probe. Gefolgt von ihren Zofen verschwand die tüchtige Frau des Hauses in ihren Gemächern.
UNMITTELBAR NACH DEM VERLASSEN von Gazah dehnte sich die Negev-Wüste vor den
Reisenden. Die letzte Stadt vor der Grenze zum Gebiet des Sultans von Kairo war nach ihrer Eroberung von den Mongolen mit einer mehr als Achtung gebietenden Garnison bestückt worden, sie sollte durchaus auch als Drohung an das angrenzende Reich der Mamelucken wirken. Der Rote Falke und seine ihn begleitende Frau Madulain waren von einer zahlreichen Eskorte umgeben, die der dort kommandierende General der Mongolen noch einmal verstärkt hatte. Nichtsdestotrotz fühlte sich die ehemalige Prinzessin der Saratz von den mongolischen Kriegern eher bewacht als beschützt. Madulain haderte mit ihrem Mann, dass er sich von Kitbogha diese heikle Mission hatte aufschwatzen lassen.
Sie ritten jetzt durch Niemandsland, auf das - wie der Rote Falke wusste - Ägypten schon immer Anspruch erhoben hatte, vorbei an verlassenen Burgen der Kreuzritter und verödeten Karawansereien.
Hier war weit und breit außer Sand nichts zu gewinnen, aber eine Schlacht leicht zu verlieren. Der Rote Falke verzögerte das Reisetempo, er wollte unter allen Umständen den Eindruck des mutwilligen Eindringens in dieses Territorium vermeiden.
Schließlich nach zwei Tagen stießen sie auf eine Vorhut der Mamelucken - Späher hatten längst ihr Kommen gemeldet -, sie wurden in den Dünen von zahlenmäßig ihnen weit überlegenen Lanzenreitern umringt und nach mehrstündigem Ritt in das ägyptische Lager gebracht.
Der Heerführer war der berüchtigte Emir Baibars. Der erfahrene Haudegen ließ sich seine Zeit, während die Männer der mongolischen Eskorte ohne viel Federlesens von dem Roten Falken getrennt
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wurden, schon um gleich klarzustellen, dass man in ihnen Kriegsgefangene sah. Erst dann gewährte Baibars
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