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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Stelle eine Brücke über den Fluss zu schlagen und so dem Feind ein Schnippchen!«
    »Geniales Schnippchen!«, höhnte polternd der General. »Vor uns liegt erst mal der Euphrat und keineswegs der Tigris!«
    »Gut Ding will seine Weile!« Der Bretone ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. »Wenn ich an die Karawane mit dem berühmten Teppich des dicken Lulu denke, die bis heute noch nicht angekommen - «
    »Und wen habt Ihr als Boten losgeschickt?!«, hakte Sundchak lauernd nach, während er sich von seinem Feldbett hochstemmte.
    »Ich wählte den aus, den Ihr, mein General, am wenigsten vermissen werdet: Khazar!«
    »Fabelhafte Wahl!« Die trockene Morgenstimme Sundchaks hustete vor Häme.' »Die beste wäret allerdings Ihr selber gewesen!«
    »Das wollte ich Euch nicht antun.« Yves genoss den Ärger des Stiernackigen, doch dessen Blick wurde zusehends unfreundlicher.
    »Nun verratet mir noch ein Letztes: Wer hat Euch diesen faustdicken Wüstenfloh ins Ohr gesetzt, dass Ihr jetzt schon von angeblichen Widrigkeiten wisst, die uns erst am Tigris erwarten?«
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    Yves lächelte. »Ihr kennt Naiman nicht, den fähigsten Agenten des Sultans von Kairo. Ich erwischte ihn heute Nacht, als er in das Lager eindringen wollte - «
    »Um auszuspionieren, ob wir vielleicht selber eine Brücke bauen könnten oder dafür den Teppich des Atabegs von Mossul benutzen!?«
    »Sein Auftrag war wesentlich schlichter, er sollte den fähigsten General der Mongolen im Schlaf erdolchen!«
    Sundchak schluckte den Morgenschleim. »Herr Yves, ich entbinde Euch mit sofortiger Wirkung von allen Pflichten, mich als Vize-General zu vertreten. Selbst im Fall meines gewaltsamen Todes wünsche ich nicht, Euch als meinen Nachfolger zu wissen!«
    Der Bretone verneigte sich lächelnd und trat aus dem Feldherrnzelt.
    Aus d er Chronik d es William von Koebr uk
    Der Transport meiner so wichtigen Person durch die »Schwarzen Templer< zog sich über mehrere Tage hin.
    Immerhin wurde ich in der Sänfte getragen und musste nicht laufen. Bei kurzen Aufenthalten zur Notdurft oder Nahrungsaufnahme wurden mir die Augen verbunden, bevor ich mein Gehäuse verlassen durfte. Ansonsten näherte sich mir keiner meiner Bewacher, keiner sprach mit mir, ich fühlte mich ausgestoßen wie einer, der die Lepra hat. Für die Übernachtungen kehrten sie auf Burgen ein, die wohl dem Orden gehörten oder ihm zumindest verpflichtet waren. Ich bekam zwar nie einen Templer zu Gesicht, aber Johanniter würden uns wohl kaum so entgegenkommend - ohne Fragen zu stellen - beherbergt haben, und Festungen des Deutschen Ritterordens gab es ja kaum. Auch das zeigte mir die Macht der geheimen Bruderschaft, jenes Ordens hinter dem Orden der Templer, dem die noch geheimnisvollere Person der >Grande Maitresse< vorstand. Man munkelte, dass dieser verschworene Bund schon über alle denkbaren Zeiten hinweg bestünde, als Hüter eines apokryphen Wissens über die

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    Entstehung der Welt und ihren Schicksalsweg, zumindest aber als unsichtbares Band alle diejenigen vereinte, die sich vom Blute des Christos herleiten durften, dieser besondere Adel des Abendlandes. Diese Familienbande bestimmten auch, wer als >Großmeister< jeweils die Geschichte der okkulten Vereinigung lenkte, gleich ob Mann oder Frau. Womöglich verbarg sich hinter der Grande Maitresse gar die oberste Priesterin des Gral? Ich bildete mir nicht ein, dass sie mir ihre eigene Sänfte geschickt hatte, aber ich erinnerte mich inzwischen genau, dass auch die alte Dame stets nur in einem solchen sinistren Gehäuse aufzutreten pflegte. Von Angesicht zu Angesicht hatte ich sie nie gesehen, noch sehnte ich mich danach, wahrscheinlich stand darauf der Tod!
    Unmittelbar nach der Ankunft wurde ich unverzüglich in eine Zelle gesperrt, auch dies ging jedes Mal so reibungslos vor sich, dass ich mit niemandem außer mit meinen schweigenden Kerkermeistern in Berührung kam. So war ich immer allein, und das brachte mich zwangsläufig dazu, doch mehr und mehr über mich und meine Aufgabe nachzudenken, der ich mich wohl nicht entziehen konnte. Allem Anschein nach hatte meine Chronik, an der ich mehr zu meiner Unterhaltung, sicher auch zur Befriedigung meiner Eitelkeit schrieb, meine Auftraggeber nicht zufrieden gestellt, sodass ich jetzt mit solcher Strenge an die Kandare genommen wurde?
    Denn das war mir auch klar, das Ziel meiner unfreiwilligen Reise konnte nichts anderes sein als wieder ein Schreibgemach, in dem ich meine Arbeit unter verschärften

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