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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Tiere und ihre Leute überlassen, für drei Tage, die man braucht, um Damaskus zu erreichen. Dort vor den Toren werdet Ihr sie mir
    zurückerstatten - «
    »Ah!«, mischte sich der junge Ali ein. »Ihr wollt den Sohn des Sultans -?«
    »Spricht dieser elende Hurensohn die Wahrheit«, fuhr ihm ungehalten der Dicke ins Wort, »dann wird der edle Prinz uns von seinem Vater in Gold aufgewogen. Ist er ein dreister Lügner, bleiben immer noch Prügel und dann der Sklavenmarkt!« Er bedachte seine Kapitalanlage mit einem auffordernden Fußtritt. »Damaskus zahlt auch für Lumpen die besten Preise!« Der Dicke, selber sicher kein Targi, beorderte die finsteren Treiber, sich zu uns zu gesellen, die Anweisungen, die er ihnen in ihrer Mundart erteilte, verstand ich zwar nicht, aber sie nickten einverständig. Ihre Mienen flößten mir wenig Vertrauen ein, so beschloss ich, auf der Hut zu sein. Die Tuareg, von ihrer schweren Last befreit, ritten hurtig von dannen. Die Gefährten riefen mich und Madulain ungeduldig zum
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    Wesen-Spiel. Zu meinem Erstaunen drängte sich Ali auf den Kelim und verlangte, mitspielen zu dürfen. Da Madulain keine Anstalten machte, ihren Platz zu räumen, sondern sich im Schneidersitz bei der bereits errichteten Pyramide niederließ, verzichtete ich großmütig auf mein Recht als Stammspieler. Mir lag heute mehr daran, die anderen zu beobachten und dabei den Kelim zu studieren, der in meinem Kopf eine seltsame Verbindung mit Spiel und Spielern einging, die sich mir noch nicht erschlossen hatte. Wie Ali, der ja das Wesen-Spiel höchstens vom Zuschauen her kannte, obgleich er mir als Kiebitz nie aufgefallen war, sich nun bewähren würde, machte mich ebenfalls neugierig. Wenngleich ich keine Sympathien für den auf mich verschlagen und hinterhältig wirkenden Sultanssohn empfand, verblüffte mich seine rasche Auffassungsgabe. Weniger erstaunte mich die Art und Weise, mit der er sein Spiel anging. Die Fabelwesen ließ er außer Acht, doch auf alle Drachen stürzte er sich, den »Fliegenden« hatte er schon mindestens dreimal aufgenommen. Dazu passte - das musste ich zugeben - natürlich der unstete Merkur, der Verräter genauso wie der Mars als gemeiner Meuchler und der Fall des herrscherlichen Jupiters in die Niederungen der Sklaverei. Dass er - in völliger Selbstüberschätzung - sich auch noch das pneumatische Zeichen für Irrsinn zulegte und im Meer des Gemüts nach der Schwermut fischte, zeigte mir ganz deutlich, wessen Geistes Kind er war, ein Kranker an der Seele! Wie weit dieser Prozess der Zersetzung schon fortgeschritten war, zeigte Ali seinen Mitspielern nur kurz darauf. Ihm fiel der zum Cardinal erhobene, spirituelle Sohn des Hohepriesters und des Hermaphroditen in die Hand, eine Drachengeburt also, und er sprang auf und schrie hysterisch:
    »Sieg! Sieg! Ich bin der Größte!« Er schaute triumphierend um sich, auf seine verlegen ihre Nasen in ihr Spiel versenkenden Mitspieler herab. Nur Madulain hielt seinem flackernden Blick stand, sie lachte ihm hell ins Gesicht. »Keiner soll wagen, an meiner Überlegenheit zu zweifeln!«, schrie er wieder.
    Das taten diese Frechen nun doch. Joshua der Zimmermann machte sich zum Sprecher der peinlich Berührten.
    »Euer Spiel, junger Herr«, sagte er streng nach kurzem Augenschein, »geht
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    nicht auf! Und außerdem ist es aufgrund seiner wirren Komposition nichts wert!«
    Ali starrte ihn fassungslos an, dann trat er in die restliche Pyramide, dass die Stäbchen flogen. »Mit Betrügern und Falschspielern geb' ich mich nicht ab!«, fauchte er hasserfüllt und raste quer über den Kelim in die anbrechende Dunkelheit.
    Für mich war ganz offensichtlich, dass Ali diesen Streit vom Zaum gebrochen hatte, um als >Beleidigter< das Feld zu verlassen. Nur, zu welchem Behufe? Mir fiel allerdings auch auf, dass sich die meist heitere und geistvolle Atmosphäre völlig gewandelt hatte, seitdem das Spiel auf dem Kelim ausgetragen wurde. Die Spieler reagierten gereizt, neigten zu Boshaftigkeiten und Intoleranz. Oder bildete ich mir das alles nur ein? Jedenfalls verspürte ich keine Lust, kehrte den Gekränkten heraus, als mich die Gefährten jetzt aufforderten, den frei gewordenen vierten Platz zu besetzen. Da ich mich also verweigerte und auch die Dämmerung schon einsetzte, zerstörten die übrigen Spieler verärgert die schon errichtete Pyramide, stopften die Stäbchen in den Beutel und verließen den Kelim, ohne noch ein weiteres Wort an mich Spielverderber zu

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