Der Keller
einem Schrankkoffer ragte.
»Sie haben ja ein richtiges Arsenal hier«, sagte er.
»In der Tat. Bobo soll nur kommen. Egal, wo er mich erwischt, ob hier«, er schnappte sich den Revolver vom Nachtkästchen und wedelte damit herum, als würde er in aller Eile auf eine ganze Armee von Eindringlingen zielen wollen, »oder in der Kombüse.« Er richtete die Waffe auf das Heck des Busses, das durch eine weitere Decke abgetrennt war. »Ich habe eine ,38er Smith and Wesson neben meinem Herd liegen und eine Luger im Bug. Egal, wo ich mich befinde, ich bin allzeit bereit, in der Tat. Soll Bobo es nur versuchen.«
Er legte den Revolver zwischen seine Füße auf den Boden. »Setzen Sie sich«, sagte er und klopfte auf die Pritsche.
Gorman befreite die restlichen Bierdosen aus der Plastikverpackung und reichte Käpt’n Frank eine, bevor er sich setzte. Dann öffnete er seine eigene Dose, während der Käpt’n sein behelfsmäßiges Nachtkästchen abräumte. Das Bier war warm geworden. Er nahm ein paar Schlucke und verfluchte sich dafür, keine Flasche Gin für sich mitgebracht zu haben.
Der alte Mann öffnete den Schrankkoffer und nahm ein abgegriffenes, in Leder gebundenes Buch heraus, das er zwischen ihnen auf die Pritsche legte. Dann beugte er sich vor und öffnete es.
»Hochinteressant«, sagte Gorman.
»Das hat mein Vater gezeichnet. Er war zwar kein so großer Künstler wie ich, aber er hat sein Bestes gegeben.«
Die Bleistiftskizze, die so verknittert und verwischt war, als hätte sie lange Zeit gefaltet in einer Hosentasche zugebracht, zeigte eine Fratze mit einer zähnefletschenden Schnauze.
»Das ist Bobo«, sagte Käpt’n Frank. »Mein Vater hat diese Zeichnung auf der Rückreise auf der Mary Jane angefertigt.«
Gorman starrte das Bild an. Es zeigte eine Frontalansicht, die aus nicht viel mehr als einem Oval mit schrägen Augen, einem Halb-
kreis, der die Schnauze andeutete, und einem geöffneten Mund mit zwei Reihen spitzer Zähne bestand.
»Es hat kein einziges Haar am Körper«, sagte der Käpt’n. »Nicht mal Augenbrauen oder Wimpern. Seine Haut ist so blass wie ein Fischbauch. Genau wie bei einem Albino. Es ist farblos, bis auf seine Augen. Mein Vater hat mir erzählt, dass sie so blau wie der Himmel sind.«
Er blätterte um. Die nächste Seite zeigte die Kreatur im Profil. Bis auf die stumpfe Schnauze wirkte der Kopf fast menschlich. Wo sich ein Ohr hätte befinden sollen, war nur ein Kreis von der Größe einer Münze zu erkennen. »Wo ist sein Ohr?«, fragte Gorman.
»Das ist sein Ohr. Nichts weiter als ein Loch mit einem kleinen Hautlappen darüber, damit kein Dreck hineingelangen kann. Mein Vater sagte, dass er diesen Lappen wie ein Augenlid heben und dann so gut wie ein Hund hören konnte.«
»Unglaublich.«
Auf die nächste Seite war eine Skizze der aufrecht stehenden Bestie geklebt. Von der Hüfte bis zu den Knien war die Zeichnung mit hastigen, wütenden Bleistiftstrichen übermalt. Die Spitze des Stifts war sogar durch das Papier gestoßen und hatte ein geriffeltes Loch hinterlassen, das sorgfältig glattgestrichen worden war.
»Was ist damit geschehen?«
Käpt’n Frank schüttelte den Kopf und seufzte. »Das war meine Mutter, Gott hab sie selig. Sie war schrecklich prüde, in der Tat. Leider hatte ich keine Gelegenheit, einen Blick auf die Zeichnung zu werfen, bevor sie sie verschandelt hat.«
»Ein Jammer«, sagte Gorman, während er die Skizze studierte. Bis auf die Klauen an Händen und Füßen wirkte die Kreatur erstaunlich menschenähnlich. Sie besaß breite Schultern und einen mächtigen Brustkorb. Die Gliedmaßen waren mit Muskeln bepackt. Ein Arm war länger als der andere, doch Gorman führte dies auf eine Ungenauigkeit des Zeichners zurück. »Wissen Sie, wie groß es ist?«
Käpt’n Frank nahm einen Schluck Bier und wischte sich über den Mund. »Etwa einen Meter. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als mein Vater es vergrub. Da war es natürlich nicht älter als ein Jahr. Er behauptete, dass die ausgewachsenen Kreaturen, die sie auf dieser Insel töteten, fast zwei Meter maßen.«
Gorman nickte, und Käpt’n Frank blätterte um. Anstatt einer weiteren Zeichnung erschien ein Zeitungsausschnitt. Die hingekritzelte Bemerkung darüber lautete: »Clarion, 21. Juli 1902, Lo-reen.« Gorman las die fettgedruckte Überschrift des Artikels:
KOJOTE TÖTET KIND AUS MALCASA POINT
›Loreen, die dreijährige Tochter von Frank und Mary Newton, wurde auf dem Grundstück ihrer Eltern
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