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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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auch von den Albträumen war ich befreit - bis jetzt. Jetzt hat es wieder zugeschlagen.«
    »Es?«
    »Offiziell ist es nach der Attacke auf die Lyles ein Er, ein messerschwingender Irrer vom Kaliber Jack the Rippers. Und bei jedem der Angriffe handelt es sich angeblich um einen anderen Täter.«
    »Und das stimmt nicht?«
    »Natürlich nicht. Es ist die Bestie. Immer ein und dieselbe Bestie.«
    Jud versuchte nicht, den Zweifel zu verbergen, der sich in seine Miene schlich.
    »Ich hole Ihnen noch eine Tasse, Judge.«

    4

    »Ich weiß nicht, was die Bestie ist«, sagte Larry. »Vielleicht weiß das niemand. Aber ich habe sie gesehen. Wahrscheinlich bin ich - mit Ausnahme der alten Maggie Kutch - der einzige lebende Mensch, der sie gesehen hat.
    Sie ist nicht menschlich, Judge. Und wenn doch, dann ist dieser Mensch auf unaussprechlich groteske Weise missgebildet. Und sie ist sehr, sehr alt.
    Der erste Angriff fand im Jahre 1903 statt. Zu dieser Zeit war Teddy Roosevelt Präsident, und die Gebrüder Wright unternahmen ihre ersten Flugversuche. Stellen Sie sich das vor! In diesem Jahr tötete die Bestie drei Menschen.«
    »Und die ursprüngliche Besitzerin des Hauses?«
    »Lyle Thorns Witwe? Sie überlebte. Aber ihre Schwester und ihre beiden Kinder wurden ermordet. Die Behörden schoben einem geistig zurückgebliebenen Mann, den sie irgendwo aufgegabelt hatten, die Schuld zu. Er wurde angeklagt, verurteilt und am Balkon des Hauses aufgeknüpft. Selbst damals versuchte man schon, die ganze Sache zu vertuschen. Ohne Zweifel wussten sie genau, dass der Mann unschuldig war.«
    »Und woher wussten sie das?«
    »Die Bestie besitzt Krallen«, sagte Larry, »scharfe, nageiförmige Krallen. Damit reißt sie ihre Opfer in Stücke, die Kleidung, den Körper, alles. Die Bestie hält sie damit fest, während sie sie … missbraucht.« Die Tasse in seinen Händen stieß klappernd gegen die Untertasse. Er stellte beides auf den Tisch und faltete die Hände.
    »Wurden Sie …«
    »Lieber Gott, Nein! Mich hat sie nie berührt. Mich nicht. Aber ich habe mit eigenen Augen gesehen, was die Bestie Tommy dort oben im Schlafzimmer angetan hat. Sie war wohl zu … beschäftigt damit, sich an Tommy zu vergehen. So konnte ich entkommen! Durch meinen Sprung aus dem Fenster zog ich mir einige hässliche
    Schnittwunden zu, und beim Aufprall brach ich mir den Arm, aber ich konnte entkommen. Verdammt noch mal, ich konnte entkommen und lebe noch!«
    Er schaffte es, einen weiteren Schluck Kaffee zu trinken und stellte mit zitternder Hand die Tasse auf den Tisch zurück. Offenbar half ihm der Kaffee, die Fassung wiederzugewinnen. »Natürlich glaubt mir niemand diese Geschichte«, fuhr er mit leiser Stimme fort. »Also behalte ich sie lieber für mich. Jetzt glauben Sie aber zweifellos, dass ich verrückt bin.« Er sah Jud an. Verzweiflung lag in seinen müden Augen.
    Jud deutete auf den Zeitungsausschnitt.
    »Da steht, dass elf Menschen im Horrorhaus gestorben sind.«
    »Nun ja, wenigstens stimmen die Fakten.«
    »Das sind ziemlich viele Morde.«
    »In der Tat.«
    »Jemand sollte diesem Treiben ein Ende setzen.«
    »Ich würde die Bestie ja selbst umbringen, wenn ich den Mut dazu hätte. Doch allein der Gedanke daran, dieses Haus bei Nacht zu betreten - niemals! Das brächte ich nicht über mich.«
    »Hat es denn schon jemand versucht?«
    »Bei Nacht? Nur ein Narr …«
    »Oder ein Mann mit einem ziemlich guten Grund.«
    »Was könnte das für ein Grund sein?«
    »Rache, Idealismus, Geld. Wurde eigentlich jemals eine Belohnung ausgesetzt?«
    »Auf die Bestie? Sie geben ihre Existenz ja noch nicht einmal zu - bis auf die alte Kutch und ihren schwachsinnigen Sohn. Und die haben sicher kein Interesse daran, dass der Bestie etwas zustößt. Dieses verdammte Ungeheuer und sein Ruf sind ihre einzige Einnahmequelle. Und dazu vielleicht alles, was die Stadt überhaupt noch am Leben hält. Das Horrorhaus ist nicht gerade so berühmt wie das Hearst Castle oder das Winchester House, doch Sie wären überrascht, wie viele Menschen bereit sind, vier Dollar für eine Füh-rung durch ein altes Gemäuer zu bezahlen, in dem nicht nur ein legendäres Ungeheuer sein Unwesen treiben soll, sondern das zudem auch der Schauplatz elf brutaler Morde war. Sie kommen aus ganz Kalifornien, aus Oregon, aus jedem Bundesstaat. Eine Familie, die nach Kalifornien unterwegs ist, kann sich Malcasa Point keine fünfzig Meilen nähern, ohne dass die Kinder nach einer Führung durch das

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