Der Keller
schüttete Kaffeebohnen in die Kaffeemühle. »Amerikanische Literatur an der University of San Francisco. Nur höhere Klassen.«
»Und die fluchen nicht?«
»Jedenfalls nicht über mich.«
»Das ist natürlich ein Unterschied«, sagte Jud und beobachtete, wie sein Gegenüber Kaffeepulver aus der Mühle in die Maschine löffelte.
»Ein gewaltiger Unterschied. Wollen wir uns setzen?«
Sie gingen ins Wohnzimmer zurück, und Larry ließ sich auf das Sofa fallen. Jud nahm auf einem Sessel Platz, lehnte sich jedoch nicht zurück.
»Es freut mich, dass Sie vorbeigeschaut haben, Judgment.«
»Nennen Sie mich Jud.«
»Wie wäre es mit Judge?«
»Judge wie Richter? Ich bin noch nicht einmal Anwalt.«
»Sie sehen aber nach einem guten Richter aus. Zumindest wirken Sie so, als könnten Sie Personen und Situationen beurteilen und Richtig von Falsch unterscheiden.«
»Das wissen Sie nur aufgrund meines Aussehens?«
»Natürlich. Also werde ich Sie Judge nennen.«
»Okay.« »Sagen Sie mir, Judge - was hat Sie bewogen, an meine Tür zu klopfen?«
»Sie haben geschrien.«
»Wussten Sie, dass ich einen Albtraum hatte?«
»Nein.«
»Ich hätte ja auch ermordet werden können.«
»So etwas Ähnliches habe ich mir auch gedacht.«
»Und nichtsdestotrotz sind Sie zu meiner Rettung geeilt. Unbewaffnet. Sie müssen ein Mann sein, der keine Furcht kennt, Judge.«
»Wohl kaum.«
»Oder Sie haben vielleicht schon einmal so große Angst gehabt, dass die Möglichkeit einem Mörder zu begegnen Sie nicht besonders schreckt.«
Jud lachte. »Na klar.«
»Wie dem auch sei, ich bin froh, dass Sie gekommen sind. Gegen das Grauen der Nacht gibt es kein besseres Gegenmittel als ein freundliches Gesicht.«
»Und packt Sie dieses Grauen öfter?«
»Jede Nacht. Seit etwa drei Wochen. Also, nicht genau drei Wochen - das wären ja einundzwanzig Tage -, und ich habe diese Albträume erst seit neunzehn Tagen. Erst! Ich kann Ihnen versichern, dass mir diese Zeit wie eine Ewigkeit vorkommt.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt ein Leben vor diesen Albträumen hatte. Natürlich hatte ich eines. Ich bin nicht verrückt, verstehen Sie? Nur aufgewühlt. Nervös, schrecklich nervös war ich und bin ich noch; aber weshalb soll ich wahnsinnig sein?«
»Das behauptet ja niemand.«
»Natürlich nicht.« Einer seiner Mundwinkel verzog sich zu einem Grinsen. »Das war aus ›Das verräterische Herz‹ von Edgar Allan Poe. Ein weiterer unglücklicher Bursche, verzweifelt und am Rande des Wahnsinns. Wirke ich wahnsinnig auf Sie?«
»Sie wirken müde.«
»Neunzehn Nächte.«
»Können Sie sich vorstellen, woher diese Albträume kommen?«, fragte Jud.
»Ich kann es Ihnen sogar zeigen.« Er zog einen Zeitungsausschnitt unter einer Ausgabe des Time Magazine hervor, die auf dem Beistelltisch lag. »Lesen Sie das, während ich mich um den Kaffee kümmere.« Er stand auf und reichte Jud den Artikel. Jud lehnte sich im Sessel zurück und fing an zu lesen:
HORRORHAUS FORDERT DREI OPFER
(Malcasa Point) - Die verstümmelten Leichen zweier Männer und eines elfjährigen Jungen wurden am letzten Mittwoch im so genannten Horrorhaus gefunden, Malcasa Points berüchtigter Touristenattraktion.
Den örtlichen Behörden zufolge betrat Streifenpolizist Daniel Jenson am Mittwochabend um 23.45 das Anwesen, da er dort Einbrecher vermutete. Als er sich nicht mehr im Hauptquartier meldete, wurde Verstärkung geschickt. Mit Hilfe der freiwilligen Feuerwehr sperrten die Beamten das Gelände weiträumig ab und betraten das geheimnisvolle Haus.
Jensons Leichnam wurde zusammen mit denen von Mr Matthew Ziegler und seinem Sohn Andrew in einem Korridor im ersten Stock des Anwesens aufgefunden. Offensichtlich waren sie einer Messerstecherei zum Opfer gefallen.
Laut Mary Ziegler, der Frau des Verstorbenen, war Matthew erzürnt über die ängstliche Reaktion seines Sohnes auf eine Führung durch das Horrorhaus, an der sie am gleichen Tag teilgenommen hatten. Offenbar war er fest entschlossen, ihm die »Bestie zu zeigen«. Kurz nach 23:00 Uhr fuhr er mit seinem Sohn zum Horrorhaus, um dort einzubrechen und den jungen Andrew mit seinen Ängsten »zu konfrontieren«. Das Horrorhaus wurde im Jahre 1902 von der Witwe von Lyle Thorn erbaut, dem Anführer der berüchtigten Thorn-Bande. Seitdem war es Schauplatz von nicht weniger als elf mysteriösen Morden. Maggie Kutch, die derzeitige Besitzerin, verließ das Haus im Jahre 1931, nachdem ihr
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