Der Keller
Offensichtlich war das Aluminium an einer Ecke der Dose aufgerissen und hatte eine scharfe Kante gebildet. Sie packte Deckel und Boden der Dose, drehte sie so lange hin und her, bis sie in zwei Hälften zeriss, und drückte die Kanten sanft gegen ihre Oberschenkel. Sie schienen sehr scharf zu sein.
Während sie überlegte, wie sie diese neuen Waffen zum Einsatz bringen konnte, hörte sie ein leises Knarren aus dem Korridor. Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Jetzt hatte sie keine Zeit mehr, um nachzuprüfen, ob Sandy noch gefesselt und geknebelt war. Sie musste sich vorbereiten.
Sie klemmte sich die bitter und metallisch schmeckende Fassung der Glühbirne zwischen die Lippen, kniete sich hin und warf sich die Hose über den Rücken. Dann nahm sie die beiden Hälften der Dose und hielt sie mit den scharfen Kanten vor sich.
Das Geräusch langsamer Schritte drang aus dem Korridor. Schuhe auf einem Holzboden. Schuhe.
Also war es ein Mensch. Gott sei Dank.
Sie lehnte sich gegen die Wand. Ihr Herz klopfte wie rasend. Sie wich ein Stück von der Tür zurück.
Dann hörte sie ein leises »Hmmm?«, und die Schritte verstummten. Papier knisterte.
Die Essenstüte, die Sandy fallen gelassen hatte.
Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt, und jemand drückte die Klinke herunter. Janice erkannte eine Hand im blauen Licht aus dem Korridor. Dann einen Unterarm. Dann eine großgewachsene Frau, die durch den Türspalt in die Dunkelheit spähte. »Sandy?« Sie lispelte. Die Stimme hatte Janice noch nie zuvor gehört, also konnte es sich nicht um Maggie Kutch handeln. Doch Sandy hatte eine weitere Frau erwähnt: Agnes.
»Fandy, warum ift es fo dunkel?«
Die Tür öffnete sich weiter. Agnes betrat den Raum und beugte sich vor, um besser sehen zu können.
»Waf ift lof?«, fragte sie mit verwirrter, aber nicht verängstigter Stimme. Sie beugte sich weiter vor und stützte sich mit einer Hand auf ihrem Knie ab. In der anderen hielt sie die Papiertüte.
Sandy fing an, Grunzgeräusche von sich zu geben.
Agnes richtete sich blitzartig auf.
Janice schlich sich hinter sie und schlug mit beiden Dosenhälften auf ihr Gesicht ein. Ein Schmerzensschrei zerriss die Stille. Agnes hielt sich die Hände vors Gesicht und wirbelte herum. Janice stieß ein weiteres Mal zu und schnitt in ihre Handfläche. Winselnd streckte Agnes die Arme aus, schlug die Dose beiseite und umklammerte Janice. Ihr Atem roch faulig und sauer, ihr Körper war warm und ihre Kleidung von Schweiß durchtränkt.
Janice rammte ein Knie in ihren Bauch, und Agnes’ Arme lösten sich von ihr. Wieder bohrte Janice ihr Knie in den weichen Bauch. Agnes krümmte sich vor Schmerzen. Ihr Gesicht streifte die Glühbirne und die Fassung wackelte zwischen Janices Zähnen. Quietschend ging Agnes zu Boden.
Janice trat von ihr zurück.
Die Tür stand offen.
Sie rannte hinaus, spähte in den Korridor, konnte niemanden erkennen und zog die Tür hinter sich zu. Dann riss sie den Schlüssel aus dem Schloss und nahm ihn mit. Sandy hatte behauptet, dass er die Eingangstür nicht öffnen würde, aber einen Versuch war es wert.
Einige Meter weiter endete der Korridor vor einer Wand. In der anderen Richtung entdeckte sie mehrere Türen, von denen die meisten verschlossen waren. Dort hinten befand sich auch eine Treppe. Janice nahm die Glühbirne aus dem Mund und ging schnell auf die Stufen zu. Offensichtlich war dieses Stockwerk verlassen, da niemand auf die Unruhe reagiert hatte.
Verlassen, bis auf Sandys Mutter und ihr Baby, die wohl in einem dieser Zimmer gefangen gehalten wurden. Während sie an den geschlossenen Türen vorbeirannte, fragte sie sich, ob sie sie befreien sollte. Nein. Zu gefährlich. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sich alles hinter diesen Türen verbarg. Sobald sie von hier entkommen war, konnte die Polizei die Sache in die Hand nehmen.
Sie passierte die erste offenstehende Tür mit zwei schnellen Schritten und warf einen Blick hinein. Der Raum war dunkel und lag in völliger Stille.
Noch zwei Türen.
Unbeschadet rannte sie an beiden vorbei. Als sie die Treppe erreichte, zuckte sie zusammen, als sie ein Klopfen in ihrem Rücken hörte. Sie hatte es erwartet, doch nichtsdestotrotz ließ es das Blut in ihren Adern gefrieren.
»Hiiiiiilfe«, schrie Agnes. Ihre Stimme klang gedämpft. »Hiiiiiilfe. Lafft mich raufl«
Janice hielt den Atem an, lief die Treppe hinunter und erreichte die von blauem Licht erhellte Eingangshalle. Und die
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