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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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die beiden Fünfziger heraus und hielt sie Gorman hin.
    Gorman stand reglos da, das Buch in beiden Händen. »Also soll ich den Artikel nicht schreiben?«
    »Das habe ich nicht gesagt, oder?«
    »Ich kann keinen Artikel schreiben, wenn ich das nicht verwenden kann«, sagte er und wedelte mit dem Buch herum. »Es ist ein wahrer Schatz, und es muss unbezahlbar für Sie sein. Ich kann Ihnen versichern, dass ich keinerlei Absicht hatte, es Ihnen zu entwenden. Ich hätte es Ihnen schon heute Nachmittag zurückgebracht, hätte ich geahnt, dass Sie mich einer solchen Tat verdächtigen. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass das Kopiergerät defekt war.«
    »Wahrscheinlich nicht«, gab Käpt’n Frank zerknirscht zu. »Trotzdem nehmen Sie jetzt Ihr Geld zurück und geben mir das Buch. Ich hätte es nie aus der Hand geben sollen. Passen Sie auf. Ich nehme es mit zu mir nach Hause, und wenn Sie diesen Artikel immer noch schreiben wollen, kommen Sie morgen vorbei und wir gehen gemeinsam in den Laden, um die Kopien zu machen.«
    Gorman lächelte. »Das klingt sehr vernünftig«, sagte er, gab Käpt’n Frank das Buch, nahm die Geldscheine und stopfte sie in die Brusttasche. »Verzeihen Sie, dass ich Ihnen solche Umstände mache. Hätte ich geahnt…«
    »Nein, nein. Ist schon in Ordnung.«
    »Darf ich Sie auf einen Drink einladen? Leider habe ich kein Bier da, aber wie wäre es mit einem Martini?«
    Die Augen des alten Mannes glänzten. »Gerne. Vielen Dank.«
    »Setzen Sie sich«, sagte Gorman.
    Während sich Käpt’n Frank auf einem der beiden Betten niederließ, ging Gorman zur Frisierkommode, öffnete eine frische Flasche Gin und goss die klare Flüssigkeit in den Mixbecher aus seiner Reisebar. Seine Hand zitterte.
    Er hat ein verdammtes Waffenarsenal in seinem Bus, dachte er. Wenn ich mich hineinschleiche, könnte er mich glatt erschießen.
    Mit ausreichend Martini intus wird der alte Furz hoffentlich schlafen wie ein Toter.
    Gorman fügte einen Spritzer Wermut hinzu und rührte die Mixtur bedächtig um.
    Wie ein Toter.
    Er kennt meinen Namen. Wenn ich ihm sein ach so wertvolles Buch stehle, wird er Ärger machen. Vorausgesetzt natürlich, dass er nicht vorher aufwacht und mich erschießt.
    Was, wenn er herausfindet, dass das Kopiergerät gar nicht defekt war? Dann könnte er rebellisch werden und die Zusammenarbeit verweigern.
    Er ist ein alter Mann. Die Dorfpolizisten in diesem Nest würden annehmen, dass er unter natürlichen Umständen zu Tode kam. Wenn er ihm in den frühen Morgenstunden ein Kissen auf das Gesicht drückte …
    Oder vielleicht wollte der Käpt’n ja auch Selbstmord begehen.
    Gorman sah sich in dem dunklen Bus stehen, den Revolver unter dem Fahrersitz hervorholen, ihn auf die Stirn des alten Mannes richten und abdrücken.
    Nein, nein. Die Nachbarn könnten den Schuss hören.
    Trotzdem war es eine Möglichkeit. Er musste nur unbemerkt entkommen …
    Er füllte zwei der hoteleigenen Gläser bis zum Rand und wandte sich Käpt’n Frank zu. »Bitte sehr«, sagte er.
    »Vielen Dank, in der Tat.«
    Gorman setzte sich auf das andere Bett und nippte an seinem Martini. Der alte Mann nahm einen kräftigen Schluck und seufzte. »Ah, genau das habe ich gebraucht.«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an. Es ist genug da.«
    »Habe ich Ihnen eigentlich erzählt, dass ich einmal an der Führung teilgenommen habe?«
    »Durch das Horrorhaus? Nein. Wann denn?«
    »Gleich am ersten Tag, bei der allerersten Führung. Ich war damals noch ein kleiner Junge und hatte zwei Wochen lang Schuhe vor Hubs Friseurladen geputzt, bis ich endlich genug zusammenhatte, um den Eintritt bezahlen zu können. Die Führung war damals Stadtgespräch, zumindest sobald alle erfahren hatten, was Maggie
    plante - die Wachsfiguren und das alles. Meine Mutter hielt es für eine heidnische Gotteslästerung.« Er nahm einen weiteren Schluck. »Ich wusste, dass sie einen Anfall bekommen würde, wenn sie herausfinden sollte, was ich vorhatte. Also schlich ich mich gleich mit der ersten Gruppe hinein. So einen Andrang haben Sie noch nie gesehen. Die halbe Stadt stand für Eintrittskarten an - sie würde es mit Sicherheit erfahren. Ich wollte schon umkehren, doch ich musste einfach in dieses Haus. Schließlich erwartete ich, meinen Vater dort zu sehen.«
    »Da war er schon tot?«
    »Aye. Mir war ja klar, dass Bobo ihn erwischt hatte und ich fragte mich, ob Maggie eine Figur von ihm hatte anfertigen lassen.« Er trank noch einmal von seinem Martini.

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