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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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»Doch mein Vater war nicht dort. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen, hab ich aber nicht. Verdammt, er hatte das Recht, dort zu sein. Schließlich hatte er Bobo gefunden, hierhergebracht und war von ihm getötet worden. Wenn also irgendjemand es verdient hatte, dort ausgestellt zu werden, dann er. Sobald die Führung vorbei war, ging ich zu Maggie Kutch. ›Wo ist mein Vater?‹, habe ich sie gefragt. Sie grinste mich so höhnisch an, dass ich ihr am liebsten alle Zähne ausgeschlagen hätte. ›So viel ich weiß, ist er mit einer von Wandas Nutten durchgebrannt, hat sie geantwortet.«
    »Wanda?«
    »Sie führte damals in der Stadt ein Etablissement von zweifelhaftem Ruf. Jedenfalls machten sich die anderen Teilnehmer der Führung über mich lustig, und ich rannte davon, damit ich nicht vor aller Augen in Tränen ausbrach, weil ich mir und meinem Vater in aller Öffentlichkeit so eine Schande bereitet hatte.«
    »Das muss schrecklich für Sie gewesen sein.«
    »Aye.« Er leerte sein Glas bis auf einen winzigen Rest, starrte darauf und goss ihn dann ebenfalls seine Kehle hinunter. »Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, habe ich auch noch eine ordentliche Abreibung bekommen. Reverend Thompson hatte mich gesehen, und schon wusste meine Mutter über alles Bescheid. Sie ging mit einer Haselnussgerte auf mich los. Ich konnte zwei Wochen lang nicht richtig sitzen.«
    Gorman schüttelte den Kopf, als würde er Mitleid empfinden, und stand auf. »Lassen Sie mich Ihnen nachschenken, Käpt’n.« Er nahm ihm das Glas ab und füllte es erneut. Dann setzte er sich wieder. »Erzählen Sie mir von Ihren Tagen auf hoher See. Sie müssen doch die ganze Welt bereist haben.«
    »Ach, eigentlich nicht. Ich habe ein Fischerboot, das in der Brandner Bay vor Anker liegt. Das ist etwa zehn Meilen von hier die Küste rauf.« Er nahm einen Schluck. »Ich wollte immer auf Reisen, die Insel suchen, auf der mein Vater Bobo gefunden hat. Ich frage mich, ob es dort noch mehr von diesen Kreaturen gibt. Doch irgendwie bin ich nie dazugekommen. Ich konnte mich nie aufraffen, um die Wahrheit zu sagen. Als ob ich verpflichtet wäre, hier zu bleiben und das Horrorhaus im Auge zu behalten. Es ist wohl mein Schicksal, Bobo aufzuspüren und ihn zur Strecke zu bringen.«
    »Glauben Sie wirklich, dass es dort noch …« Gorman hörte ein heranfahrendes Auto. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er und ging zum Fenster. Er zog die Vorhänge zurück und spähte in die Finsternis hinaus.
    Zwei Autos fuhren durch den Innenhof, ein Mustang und ein Omni. Sie hielten vor dem Bungalow, in dem Abe und Jack wohnten.
    »Keine Ahnung, ob welche von diesen Bestien überlebt haben oder nicht«, murmelte Käpt’n Frank. »Wahrscheinlich schon.«
    Gorman beobachtete, wie sich die Wagentüren öffneten. Tyler, Abe und Nora stiegen aus dem Omni.
    »Wissen Sie, was mir spanisch vorkommt?«, fuhr Käpt’n Frank fort. »Auf dieser Insel gab es keine wilden Tiere, obwohl diese Kreaturen doch ganz offensichtlich Fleischfresser sind. Darüber habe ich lange nachgedacht.«
    Abe öffnete die Beifahrertür des Mustangs, und gemeinsam mit Jack half er jemandem heraus.
    »Sie müssen das Wild schon vor langer Zeit verputzt haben.«
    Als sie das Licht auf der Veranda einschalteten, erkannte Gor-man, dass es sich um eine junge Frau handelte. Ihr Haar war zerzaust, und Abe stützte sie auf dem Weg zur Tür. Sie war von Kopf bis Fuß in eine Decke gehüllt.
    »Und da sie Fleischfresser sind, müssen sie wohl früher oder später übereinander hergefallen sein.«
    Obwohl Gorman das Gesicht des Mädchens nicht sehen konnte, war er sich sicher, dass es sich um Janice Crogan handelte. Ihm wurde übel.
    »So was passiert oft in primitiven Kulturen. Auch bei Menschen. Sie brauchen Protein, verstehen Sie? Also ziehen sie gegeneinander in den Krieg und essen diejenigen, die sie umgebracht haben. Das war früher gang und gäbe.«
    Gorman wandte sich vom Fenster ab und ließ sich benommen auf das Bett fallen.
    Janice Crogan.
    Er hatte diese beiden Arschlöcher losgeschickt, um Fotos zu machen, und sie kamen mit Janice Crogan zurück.
    Er hob sein Glas vom Boden auf und trank.
    »Also bin ich zu dem Schluss gekommen«, sagte Käpt’n Frank, »dass mein Vater und die Mannschaft der Mary Jane nur auf eine versprengte Sippe dieser teuflischen Kreaturen gestoßen sind.«
    Vielleicht ist es gar nicht Janice, dachte Gorman.
    Wer sollte es denn sonst sein?
    Das Mädchen

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