Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
sich langsam nähernde Licht. »Das können sie nicht sein.«
    »Vielleicht ist einer ihrer Scheinwerfer kaputt.«
    Sie wartete und wischte sich die schweißnassen Hände an ihrem Rock ab, dessen Wollstoff flüsternde Geräusche von sich gab, als er über ihre Strümpfe rieb. Dann hörte sie einen stotternden Motor.
    Ein Motorrad kam die Beach Lane herauf, gefolgt von einer Wolke aus Staub und Abgasen. Käpt’n Frank war tief über den Lenker gebeugt. Sein weißes Haar und der Bart flatterten im Fahrtwind. In einer scharfen Kurve bog er auf die Hauptstraße und raste in nördlicher Richtung davon.
    »Der Penner hat’s ja ganz schön eilig«, murmelte Nora.
    Tyler fuhr langsam am Horrorhaus vorbei und ließ ihren Blick über die Rasenfläche, die dunkle Veranda und die vielen Fenster wandern. Alles wirkte verlassen und trostlos. Sie fragte sich, wie man überhaupt auf die Idee kommen konnte, so einen Ort nach Einbruch der Dunkelheit zu betreten.
    Abe und Jack sind wahrscheinlich grade da drin, dachte sie, schleichen durch stockfinstere Zimmer und Gänge, wissen, dass sie bereits zu spät sind, und beeilen sich …
    Oder sie liegen bereits zerfetzt irgendwo herum, zwei weitere Opfer der …
    Nein!
    Ihnen geht’s gut. Ihnen ist nichts passiert. Sie haben Waffen dabei. Sie sind gut ausgebildete Soldaten. Marines.
    Das Horrorhaus geriet außer Sichtweite, als sie der kurvigen Straße in die Hügel hinauf folgte. Doch vor ihrem geistigen Auge erschienen die geöffneten Vorhänge, die verstümmelten Körper, und sie fragte sich, welche von ihnen aus Wachs und welche aus Fleisch waren und ob einer von ihnen Abe gehörte.
    »Da!«, platzte Nora heraus.
    Tylers Blick fiel auf den Mustang, der mit ausgeschalteten Scheinwerfern neben der Straße parkte. Sie warf einen Blick durch das Rückfenster, dann hielt sie hinter dem Wagen an. Niemand war zu sehen.
    »Scheiße«, sagte Nora und tätschelte beruhigend Tylers Bein. »Lehn dich zurück und entspann dich. Sie werden jeden Augenblick auftauchen.«
    Tyler schaltete den Motor ab.
    »Ich hab eine Idee«, sagte Nora, öffnete das Handschuhfach und nahm den Autoatlas heraus. »Damit können wir uns die Zeit vertreiben. Mach mal Licht.«
    Tyler schaltete die Innenbeleuchtung an. »Schauen wir mal. Shasta, da ist es, Shasta Lake! Die Pine Cone Lodge. Mann, der Kasten hat fünf Sterne! Nicht schlecht, was? Aber teuer. Einzelzimmer ab fünfundfünfzig, Doppelzimmer ab fünfundsechzig Dollar. Fünfundvierzig Betten. Zwölf Meilen nördlich von Redding an der Interstate 5, eineinhalb Meilen von der Ausfahrt Bridge Bay Road entfernt. Malerischer Ausblick auf den Lake Shasta. Ganzjährig geöffnet. Geräumige, anspruchsvoll ausgestattete Zimmer mit Dusche und Bad, Kabelfernsehen und Kamin. Beheiztes Schwimmbad, Whirlpools, kostenlose Ruder- und Motorbootbenutzung. Sportliche Aktivitäten: Angeln, Wasserskifahren. Klingt nicht gerade nach einer Absteige, was meinst du?«
    Tyler schüttelte den Kopf.
    »Willst du dich da oben zur Ruhe setzen?«
    »Wenn er mich fragt«, flüsterte sie. »Verflucht, wo bleibt er denn?«
    »Bleib ruhig. Das Haus ist bestimmt eine Viertelstunde von hier entfernt.«
    »Gehen wir rüber.«
    »Zum Horrorhaus? Spinnst du?«
    »Du kannst ja hier warten.«
    »Tyler! Himmel!«
    Tyler öffnete die Tür, und Nora stieg ebenfalls aus. Gemeinsam überquerten sie die Straße.
    »Für einen Marsch durch die Wälder haben wir wohl kaum das richtige Outfit.«
    »Mir egal.«
    »Du holst dir bestimmt Laufmaschen.«
    Als Tyler den Straßengraben hinabstieg, rutschten ihre Sandalen auf dem taufeuchten Boden. Ranken griffen nach ihren Fußknöcheln.
    Nora glitt aus und landete auf dem Hintern. »Scheiße. Was ist los mit dir?«, fragte sie, während sie sich wieder aufrappelte.
    Wortlos begann Tyler auf der anderen Seite den Graben hinaufzuklettern.
    »Wenn du vorhast, in dieses Haus zu gehen - vergiss es. Wir kommen doch noch nicht mal über den Zaun.«
    Tyler war oben angekommen und streckte Nora die Hand hin, um sie das letzte Stück hinaufzuziehen. Dann schlichen sie zwischen den Bäumen dahin.
    »Außerdem sind wir nicht bewaffnet. Sie schon. Nicht, dass ich mich überhaupt in die Nähe …« Nora verstummte.
    Sie hörten hastige Schritte auf der Straße unter ihnen. Tylers Herz klopfte wie wild. Sie spähte durch die Pinien auf die mondbeschienene Straße.
    »Sie sind es«, flüsterte Nora.
    Doch Tyler konnte trotz angestrengtem Lauschen nur die Schritte eines Mannes

Weitere Kostenlose Bücher