Der Keller
…
Was habe ich schon zu verlieren?
»Also gut. Moment noch.«
Sie lief in Erics winziges Zimmer, beugte sich über das Gitter seines Bettchens und legte ihn auf die Matratze. Dann klappte sie den Deckel zu und ließ das Schloss daran zuschnappen.
»Sei ganz still, Schätzchen«, flüsterte sie.
Sie verließ den Raum und zog die Tür hinter sich zu.
»Augenblick!«, rief sie, lief in ihr eigenes Zimmer, wo die beigen Shorts und ihr zerknittertes Uniformhemd auf ihrem Bett lagen, wo sie sie hingeworfen hatte. Unterwäsche und Socken hatte sie bereits in den Wäschekorb gelegt, aber sie hatte nicht gewusst, was sie mit der Uniform anfangen sollte - in den nächsten Wochen, wenn nicht sogar Monaten würde es keine Führungen durch das Horrorhaus geben - also hatte sie die Klamotten erst mal dort liegen gelassen.
Sie schlüpfte in die Shorts und schloss den Gürtel. Dann zog sie sich das Hemd über und rannte aus dem Zimmer. An der Eingangstür sah sie sich noch einmal um, während sie das Hemd zuknöpfte.
Bis auf ein zerknittertes Handtuch auf dem Sofa war kein Hinweis auf das Baby zu sehen.
Dafür gab es genug Hinweise auf Sandys Vater: Ein Aschenbecher auf dem Beistelltisch; ein geöffnetes Päckchen Camel; Ausgaben von Angel- und Waffenmagazinen sowie dem Hustler, die verstreut herumlagen, außerdem eine fast volle Flasche Jim Beam auf der Arbeitsplatte der Küche. Alles war gut sichtbar arrangiert.
Sandy schloss den letzten Hemdknopf und warf das Handtuch hinter das Sofa. Dann sah sie sich noch einmal um.
Alles klar.
Sie ging zur Tür, sperrte sie auf und öffnete sie.
Marlon Slade wollte hereinkommen, doch sie stellte sich ihm in den Weg. »Das macht dann fünfhundert Mäuse«, sagte sie und streckte die Hand aus.
»Ach, natürlich. Das hätte ich beinahe vergessen.« Mit einem gequälten Lächeln griff er in die Gesäßtasche seiner Hose, die dieselbe Farbe wie Sandys Uniform hatte. Seine Beine steckten in Reitstiefeln aus schwarzem Leder. Er trug ein Hemd aus schwarzer Seide und dazu eine breite grüne Krawatte. Sandy nahm an, dass er versuchte, so auszusehen, wie man sich einen Regisseur eben vorstellte.
Ihr kam er jedoch eher wie ein pummeliges Kind in einem Karnevalskostüm vor.
Er zog seine Brieftasche hervor und öffnete sie. Sie war außerordentlich gut gefüllt.
»Sie scheinen’s ja dicke zu haben«, sagte Sandy.
»Nicht mehr lange, wenn Sie mich weiterhin so erpressen.«
»Es war Ihre Idee«, erinnerte sie ihn.
Er zählte die versprochene Summe in Hundertern und Fünfzigern ab. »Vielen Dank«, sagte Sandy, nachdem sie das Geld erhalten hatte, und machte den Weg frei. Marlon kam herein und schloss die Tür hinter sich.
Sandy faltete die Geldscheine zusammen. Als sie sie in die Hosentasche steckte, fiel ihr auf, dass sie ihr Hemd falsch zugeknöpft hatte.
Ihre Blicke trafen sich. Marlon hatte es offenbar ebenfalls bemerkt.
»Ich war in Eile«, murmelte sie und errötete.
Er grinste. »Tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe.«
»Ist schon in Ordnung.« Beinahe hätte sie ihm erzählt, dass sie gerade aus der Dusche gekommen war, hielt jedoch rechtzeitig den Mund. Sie wollte sich auf keinen Fall in irgendwelchen Lügengeschichten verzetteln.
»Wollen Sie was trinken?«
»Das wäre schick.«
Schick?
»Mein Dad trinkt Bourbon«, sagte sie und deutete mit dem Kinn auf die Flasche.
»Perfekt. Ohne Eis bitte.« Er ließ sich auf das Sofa fallen.
Auf dem Weg zur Arbeitsplatte warf Sandy einen Blick über die Schulter und grinste. »Sind Sie überhaupt alt genug, um Alkohol zu trinken? Ich will ja nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.«
Er kicherte glucksend. »Ich bin älter, als ich aussehe.«’
»Zum Glück. Sie sehen nämlich aus, als wären sie gerade mal zehn.«
»Sehr witzig.«
Sie holte ein Marmeladenglas aus dem Regal und schenkte ihm Bourbon ein.
»Trinken Sie mit mir?«, fragte er.
»Ich bin noch minderjährig«, sagte sie.
»Das sehe ich. Wie alt sind Sie denn?«
»Eine wahre Lady verrät niemals ihr Alter.«
»Vierzehn? Fünfzehn?«
»Ich bin älter, als ich aussehe.«
»Wirklich?«
»Wirklich.« »Ich bin vierundzwanzig«, sagte Marlon.
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Und Sie?«
»Das geht Sie nichts an.« Sie reichte ihm das Glas, trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und verlagerte ihr Gewicht auf das linke Bein.
Marlon nahm einen Schluck und seufzte. »Setzen Sie sich. Bitte.« Er klopfte auf das Sofakissen an seiner
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