Der Keller
über die Absperrung kletterte, sich vor Ethel hinkniete und unter ihr zerfetztes Nachthemd spähte.
Krieg dich wieder ein, sagte er sich. Es ist nur eine Puppe.
Trotzdem…
Monica stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Gehen wir weiter, Owie.«
Er folgte ihr zur Tür, wo sie einigen Leuten Platz machen mussten, bevor sie weiter zur Treppe gehen konnten.
Sharon begrüßte gerade die nächsten Neuankömmlinge und stand mit dem Rücken zu Owen und Monica. Ihr blondes Haar war zu einem dicken Zopf gebunden.
»Wie billig«, sagte Monica.
»Was?«
»Was glaubst du denn? Ethel natürlich, du meine Güte. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich in einer Peepshow landen würde. Kein Wunder, dass du unbedingt hierherkommen wolltest.«
Sie gingen die Treppe hinauf.
»Nichts, was man nicht auch an einem öffentlichen Strand zu sehen bekommt«, entgegnete Owen.
»In Frankreich vielleicht.«
»Es ist doch nur eine Puppe.«
»Ist schon komisch. Erst beteuern sie, dass sie die schmutzigen Details auf jeden Fall weglassen, und dann zeigen sie uns so was.«
»Ich fand’s nicht so schlimm.«
»Natürlich nicht.«
Am Ende der Treppe hing ein Schild an der Wand: STATION NR. 3.
»Weiter geht’s«, murmelte Monica genervt und schaltete ihren Rekorder ein.
Als Owen auf den Startknopf drückte, ertönte Janices Stimme.
»Sobald die Bestie Ethel ermordet hatte, rannte sie, eine Blutspur hinter sich herziehend, die Treppe hinauf. Die Flecken, die Sie vor sich auf dem Boden sehen, wurden exakt den Polizeifotos nachempfunden. Folgen Sie ihnen zu Lillys Schlafzimmer und hören Sie sich an, was Maggie dazu zu sagen hatte.«
Monica folgte mit gesenktem Kopf der roten Spur.
»Wir befinden uns jetzt genau über der Eingangshalle. Hier schlief Lilly Thorn in der Nacht, in der die Bestie zuschlug«, erklärte Maggie. Die wenigen Touristen in diesem Raum hatten sich entlang der Absperrung verteilt. Owen hatte also freie Sicht auf das Bett, auf dem die Figur einer jungen Frau saß. Sie trug ein rosafarbenes Nachthemd, hatte die Augen und den Mund weit aufgerissen und hielt sich eine Hand vors Gesicht, was Owen an die dramatischen Gesten in alten Stummfilmen erinnerte.
»Der Lärm weckte Lilly auf«, fuhr Maggie fort. »Sie musste geahnt haben, dass etwas Grauenvolles im Gange war und dass sie und die Kinder in höchster Gefahr schwebten. Aber anstatt nach ihren Söhnen zu sehen, stieg sie aus dem Bett und schleppte den Frisiertisch zur Tür, um sich zu verbarrikadieren. Dann sprang sie aus dem Fenster. Sie landete auf dem Dach des Erkerfensters darunter und schließlich auf der Straße. Dann floh sie in die Nacht hinaus.«
»Lilly entkam«, schaltete sich Janice wieder ein. Ihre sanfte Stimme war im Gegensatz zu Maggies knarrendem Bass eine richtige Wohltat. »Sie entkam mit ihrem Leben, aber ihre geistige Gesundheit blieb auf der Strecke. Die Wachsfigur, die Sie auf dem Bett sehen, wurde von Monsieur Dubois nach einer Fotografie angefertigt, die ungefähr aus der Zeit stammte, als Lilly den berüchtigten Banditen Lyle Thorn heiratete. Das Nachthemd jedoch ist eine exakte Kopie …«
»… des Originals, das sie im Horrorhausmuseum bewundern können«, sagte Monica mit spöttischer, leiernder Stimme, die alles übertönte, was Janice noch zu sagen hatte.
Sie drückte auf die Stopptaste, und Owen warf ihr einen finsteren Blick zu.
Dann sah er sich um. Monicas kleine Vorstellung schien glücklicherweise niemanden belästigt zu haben.
»Lass das«, flüsterte er.
Sie fletschte die Zähne.
Owen hielt das Band an und suchte nach dem Knopf, mit dem man zurückspulen konnte.
»Du hörst dir das doch jetzt nicht noch mal an?«
»Doch, tue ich.«
»Aber das war doch das Ende.«
»Bei dir vielleicht. Du hast mich unterbrochen, und ich habe etwas verpasst.«
Sie rollte die Augen. »Das ist nicht dein Ernst«, murmelte sie.
Owen drückte auf Start. »… weckte Lilly auf«, sagte Maggie. »Sie musste geahnt haben, dass etwas Grauenvolles im Gange war und dass sie und die Kinder in höchster Gefahr schwebten.« Er hatte zu weit zurückgespult.
Sollte er vorspulen? Lieber nicht. Besser, er hörte sich alles noch mal an. Monica konnte ruhig warten. Warum hatte sie auch nicht den Mund halten können?
Ihre Blicke trafen sich.
Sie funkelte ihn wütend an.
»Ich hab zu weit zurückgespult«, sagte er.
»Na toll.«
»Eine Minute.«
»Wunderbar.«
»Psssst. Ich versuche, hier was mitzukriegen.«
»Spitzenleistung.«
»Du musst nicht auf
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