Der Keller
Türfenster war eingeschlagen worden.
Er ging hinein, schaltete die Taschenlampe an und sah sich um. Die Küche. Er rannte in einen Flur und sah den Affenschirmständer und die Vordertür vor sich. Er leuchtete über seine linke Schulter und entdeckte die Treppe.
Der Strahl der Taschenlampe fiel auf einen roten Benzinkanister, der auf der Mitte der Treppe lag. Der Deckel war noch festgeschraubt. Ein etwa einen Meter langes Stück Seil war um den Griff geknotet. Als er den Kanister aufstellte, hörte er, wie Flüssigkeit darin herumschwappte. Er steckte die Waffe weg, öffnete den Deckel und roch hinein. Benzin, kein Zweifel. Dann hörte er Atemgeräusche über sich. Ein trockenes, heiseres Lachen.
Der Schein seiner Taschenlampe wanderte die Stufen hinauf, fand ein nacktes, blutendes Bein, eine mit Wunden übersäte Brust, ein hinter Haarsträhnen verborgenes Gesicht. Blut tropfte vom Kinn. Ein Stück Haut hing von der Stirn herunter und bedeckte ein Auge.
Die Gestalt lachte erneut. Es wirkte, als würde das Gelächter zusammen mit einem Rinnsal aus Blut aus dem geöffneten Mund sickern.
»Mary?«, rief Jud leise die Treppe hinauf. »Mrs Ziegler?«
Sie schien auf ihn zuzugleiten. Ihre Arme schwangen hin und her, und ihre Beine bewegten sich nur unmerklich.
Jud senkte die Taschenlampe und sah, dass ihre Füße etwa zwei Zentimeter über dem Boden schwebten.
»Oh Gott«, flüsterte er und griff nach seiner Pistole.
Der Körper flog auf ihn zu.
Er ging in die Hocke. Der Leichnam rollte mit leisen, klatschenden Geräuschen über seinen Rücken hinweg und landete mit einem dumpfen Aufschlag am Fuß der Treppe.
Dann sprang etwas anderes auf seinen Rücken.
Er rammte seinen Ellbogen in weiches Fleisch und hörte ein tiefes Keuchen. Der saure Gestank ließ ihn würgen. Er stieß noch einmal mit dem Ellbogen zu, wobei er die Taschenlampe verlor, und wirbelte herum. Etwas Scharfes schlitzte seinen Parka und die Haut darunter auf. Das schwere Gewicht löste sich von seinem Rücken. Vor Schmerz ließ er die Automatik fallen.
Er tastete im Dunkeln die Treppe danach ab und fand stattdessen den Benzinkanister. Von unten ertönte Grunzen und Knurren.
Jud schwang den Kanister und verteilte Benzin in der Dunkelheit. Eine blasse, gebückte Gestalt erschien auf der Treppe. Sie kreischte auf, als sie mit Benzin Übergossen wurde, wedelte mit den Armen und schlug Jud den Kanister aus den Händen. Rückwärts stolperte er die Treppe hinauf und griff auf der Suche nach den Streichhölzern in seine Brusttasche.
Klauen bohrten sich in seine Hüfte.
Er riss ein Streichholz aus dem Briefchen und strich damit über die Reibfläche. Blaue Funken sprühten.
Das Streichholz entzündete sich nicht.
Dann sprang das Ding über das Geländer in die Dunkelheit.
Es grunzte, als es tief unten auf dem Boden landete und in die Küche rannte.
Endlich ertastete Jud Taschenlampe und Pistole. Er setzte sich irgendwo über dem zerfetzten Leichnam von Mary Ziegler auf die Treppe und lauschte in die Dunkelheit.
Kapitel zehn
Roy tat alles weh, besonders seine Schultern und der Rücken. Es schien ihm, als wäre er schon eine Ewigkeit unterwegs, obwohl es in Wirklichkeit nur sieben Stunden gewesen waren. Eigentlich hätte er sich nach sieben Stunden Fahrt nicht so schlecht fühlen dürfen.
Er griff in die Tüte auf dem Beifahrersitz, ertastete die warmen Big Macs und nahm einen heraus. Dann ließ er ihn wieder in die Tüte fallen. Der Burger konnte warten. Bald würde er anhalten.
Als er über die Golden Gate Bridge fuhr, sah er aus dem linken Fenster in Richtung Alcatraz. Außer einem Signallicht war nicht viel davon zu erkennen. Egal. Wer wollte schon einen Scheißknast sehen?
Es ist kein Knast mehr, erinnerte er sich.
Oh doch. Einmal Knast, immer Knast. Alcatraz würde nie etwas anderes sein.
Wenn er weiter auf der 101 blieb, würde er in etwa zehn Minuten San Quentin erreichen. Scheiße, von San Quentin hatte er wirklich die Schnauze gestrichen voll.
Er wollte gar nicht daran denken.
Stattdessen wickelte er doch einen Big Mac aus und aß ihn langsam, während er die Straßenschilder las. Mit dem letzten Bissen steuerte er den Pontiac Grand Prix auf die Ausfahrt Mill Valley.
Der Wagen fuhr sich grandios. Er mochte ihn. Bob hatte in Bezug auf Autos einen sehr guten Geschmack gehabt.
Mill Valley hatte sich kaum verändert. Es war nach wie vor ein kleines, verschlafenes Provinznest. Das Tamalpais-Theater-Festzelt lag im Dunkeln. Der alte
Weitere Kostenlose Bücher