Der Keller
Meine nächtlichen Expeditionen waren fruchtlos. Ich bin über die Maßen erschöpft. Mit Xanadu ist alle Freude aus meinem Leben verschwunden. Selbst meine geliebten Kinder können mich nicht aufheitern. Ja, ich hege sogar einen Groll gegen sie, sind sie doch die Ursache für meinen herben Verlust. Hätte ich die Seelenqualen geahnt, die sie mir einmal bereiten würden, ich hätte sie ohne zu zögern ungeboren aus meinem Schoß gerissen.
1. August: Wieder verbrachte ich eine Nacht im Keller und erwartete Xanadus Rückkehr. Ich hätte zu unserem Herrn gebetet, doch ich wagte nicht, Ihn auf diese Weise zu beleidigen. Nach langem Überlegen beschloss ich, meinem Leben ein Ende zu setzen.
2. August: Letzte Nacht wartete ich, bis Ethel und die Jungen eingeschlafen waren. Mit einem Seil begab ich mich in den Keller. Lyle hatte mir oft vom Tod durch den Strang berichtet, eine Methode des Dahinscheidens, die er bis zu seiner Erschießung fürchtete. Wüsste ich eine zuverlässigere Art und Weise, ich würde mit Freuden auf die Henkersschlinge verzichten.
Es war mir auch nach längerem Bemühen unmöglich, einen ordentlichen Henkersknoten zu binden. Ich würde mich also mit einer einfachen Schlinge begnügen müssen. Der Tod durch Ersticken würde große Schmerzen bedeuten, jedoch nur eine Frage der Zeit sein.
Schließlich gelang es mir, die Schlinge über einen der Stützbalken zu werfen. Das Ende des Seils wand ich um den Haupttragebalken, dann stellte ich mich auf einen Stuhl, den ich zu diesem Zweck mit in den Keller genommen hatte. Mit der Schlinge um den Hals bereitete ich mich auf das Ende vor.
Doch ich konnte nicht aus dem Leben scheiden, ohne einen letzten Versuch zu unternehmen, meinen geliebten Xanadu noch einmal zu sehen.
Ich stieg also vom Stuhl und näherte mich der Öffnung seines
Erdlochs. Ich rief nach ihm, und als ich mehrere Minuten vergebens auf eine Antwort wartete, war ich nur umso fester entschlossen, ihn in seiner Höhle aufzusuchen. Sollte ich bei diesem Versuch mein Leben lassen, umso besser. So würde mir die Pein des Hängens erspart bleiben.
Ich entledigte mich meiner Kleidung und tauchte mit dem Kopf voran in die Höhle, genau wie ich es ihn so oft hatte tun sehen. Das Erdreich war feucht und kalt, die Finsternis vollkommen. Der enge Tunnel machte ein Fortkommen auf allen vieren unmöglich. Wie eine Schlange musste ich auf meinem Bauch dahinkriechen. Ich weiß nicht, wie lange ich so unter Mühen immer tiefer in den Tunnel drang. Die Wände schienen sich um mich zu schließen und die Luft aus meinen Lungen zu pressen. Doch unbeirrt kroch ich voran.
Als ich mich nicht mehr bewegen konnte, rief ich mit der Kraft all meiner Liebe und Verzweiflung nach Xanadu, bis meine Lungen wie Feuer brannten. Ich wollte diese Welt nicht verlassen, ohne mich von meinem Geliebten zu verabschieden.
Endlich, endlich hörte ich das Geräusch seiner glatten Haut, die über den Lehm glitt, seinen zischenden Atem, sein Seufzen, als seine Zunge über mein Gesicht wanderte. Er verbiss sich mit seinem mächtigen Kiefer in meinem Haar und zerrte mich voran. Der Schmerz war eine willkommene Abwechslung für meine betäubten Sinne. Als er mich schließlich freiließ, spürte ich, dass keine Wände mein Fortkommen mehr einengten. Stattdessen atmete ich frische Luft. Später sollte ich erfahren, dass er mich in seine unterirdische Behausung gebracht hatte, eine ausgehöhlte Kammer, gerade groß genug, damit er aufrecht darin stehen oder sich der Länge nach zur Ruhe betten konnte. Die Kammer befindet sich nur eine kurze Distanz von meinem Grundstück entfernt mehrere Meter unter der Erdoberfläche. Die frische Luft entstammte einer versteckten Deckenöffnung und mehreren anderen Tunneln, die den Hügel hinaufführten. Dies alles sollte ich jedoch erst am nächsten Morgen in Erfahrung bringen. Für den Moment war ich kaum bei Sinnen und zitterte vor Kälte. Erst in den Armen meines Geliebten fand ich Geborgenheit, Wärme und erquickenden Schlaf.
Er weckte mich kurz vor der Morgendämmerung. Ich war ausgeruht und munter, und Xanadu liebte mich sanfter als je zuvor, ohne es an tiefer Leidenschaft fehlen zu lassen. Danach führte er mich zu einem Ausgang aus seiner Behausung. Dem stürmischen Abschied nach zu schließen wird er heute Nacht gewisslich wieder zu mir kommen.
Nackt und allein ging ich durch das taufeuchte Gras.
Den Morgen verbrachte ich damit, mein weiteres Vorgehen zu planen. Kurz vor der Mittagsstunde
Weitere Kostenlose Bücher