Der Kelte
eingefallen. Rose wollte zu ihm eilen, wollte ihn stützen, als er taumelte. Als sie ihn berührte, sah er ihr in die Augen. Dann stieß er sie grob zur Seite.
„Lass mich!“, zischte er und ging an ihr vorbei zur Kutsche.
Als er auf deren anderer Seite verschwunden war, konnte sie hören, wie er sich übergab.
Nachdem sich Alan an einem Bach das Blut der Outlaws abgewaschen hatte, stiegen sie wieder in die Kutsche und brachten etliche Kilometer hinter sich. Zu Roses Erleichterung erholte sich Alan in dieser Zeit ein wenig von dem Kampf. Sein Gesicht bekam wieder Farbe, und sein Atem ging nicht mehr ganz so angestrengt. Irgendwann legten sie eine Pause ein, und der Kutscher verschwand hinter einem Baum, um sich zu erleichtern. Alan und Enora nutzten die Gelegenheit, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Rose war froh, einige Minuten für sich zu haben und blieb in der Kutsche sitzen.
„Wie geht es dir?“, hörte sie Enoras Stimme gedämpft durch die Wände der Kutsche.
„Ganz gut so weit“, antwortete Alan. „Sieht so aus, als hätte ich den Kampf einigermaßen überstanden – trotz Blutverlust und Branwens Einfluss. Ich frage mich nur, was Rose empfindet, jetzt, da sie mich hat kämpfen sehen.“
Rose lauschte in sich hinein, denn sie wusste es selbst nicht. In ihr stritten die widersprüchlichsten Gefühle miteinander. Als Alan auf sie zugekommen war, blutverschmiert und abgekämpft, hatte sie ihm noch helfen wollen, aber kurz darauf war ihr bewusst geworden, was er getan hatte. Und ihr hatte vor ihm gegraust. Und schließlich, nach den vier Malen, die der Kutscher hatte anhalten müssen, weil Alan sich übergeben musste, war in Rose erneut die Angst um ihn wach geworden. Der Gedanke, dass er sterben könnte, zerriss ihr beinahe das Herz – auch jetzt noch, da es ihm offensichtlich besser ging. Sie seufzte. Sie fühlte sich so zerrissen wie noch nie zuvor.
„Weißt du, was mich wahnsinnig macht?“, hörte sie Alan sagen.
Enora verneinte.
„Diese Abscheu in Roses Augen.“
„Du wusstest, dass das geschehen würde“, sagte Enora leise.
Alan antwortete lange nicht, und Rose stellte sich vor, wie der Schmerz, den sie nun schon so oft in seinen schönen Augen gesehen hatte, wiederkehrte. In diesem Moment war es ganz einfach, die Erinnerung an das Blut an seinen Händen von sich zu schieben. Sie lauschte in sich hinein, und ihr wurde bewusst, wie sehr sie diesen Mann liebte – egal was auch immer er tat. Ob er einen Mann seiner Geldbörse beraubte oder ob er die Kerle tötete, die versuchten, ihr Gewalt anzutun. Himmel, sie vergab ihm ja sogar, dass er sie selbst mit einem Stein erschlug!
Mit beiden Händen rieb sie sich Wangen und Stirn.
„Warum, glaubst du, kann sie sich plötzlich an das Leben vor ihrem Zeitsprung erinnern?“, fragte Alan. „Du hast ihr doch ihre Erinnerung nicht wiedergegeben, oder?“
„Nein. Vielleicht liegt es daran, dass sie noch nie zuvor so lange in einer Zeit war. Wir haben keine Erfahrungen damit, was mit ihr geschieht, wenn sie jahrelang nicht springt.“
Rose hörte zwar, was die beiden beredeten, aber sie verstand nur die Hälfte davon. Ihre Gedanken kreisten noch immer um Alan und die Outlaws.
„Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit, warum sie sich plötzlich erinnert“, sagte Enora mit nachdenklicher Stimme. „Glynis hat mir von der Magie der Wildrosen in Erdeven erzählt. Vielleicht liegt es daran.“
„Hm“, machte Alan. „Möglich wäre es immerhin.“
„Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen der Göttin, dass wir endlich, nach zweitausend Jahren, Branwens Fluch beenden dürfen.“
Beide schwiegen eine Weile, schließlich seufzte Alan: „Hoffen wir es! – Hoffen wir, dass die Göttin Morgana nicht einfach nur wieder ihre sadistischen Spielchen mit uns treibt.“
Nachdem sie ihre Pause beendet hatten, fuhren sie weiter und übernachteten in einem kleinen Hotel am Rand ihres Weges, in dem sie zwei Zimmer mieteten. Rose und Enora schliefen in einem Doppelzimmer, während Alan es vorzog, eine Kammer für sich allein zu haben, um Rose aus dem Weg zu gehen. Er hatte den Kutscher losgeschickt, um ihm neue Kleidung zu kaufen, und dann hatte er ein Bad genommen und sich so lange geschrubbt, bis auch der letzte Rest von dem Blut der Outlaws abgewaschen war. Was er jedoch nicht abwaschen konnte, war das Gefühl der Schuld, das ihn quälte. Enora hatte natürlich recht: Er hätte wissen müssen, was sein Anblick unter Branwens
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