Der Ketzerlehrling
verhören wir Conan nicht noch einmal, bevor Ihr ihn freilaßt?«
»Wobei wir darauf gefaßt sein müssen«, warnte Hugh, »daß auch das zu nichts führt. Es kann durchaus sein, daß die Schatulle von Anfang an nur Münzen enthielt, lediglich besser verpackt.«
»Englische Münzen, und so viele?« sagte Cadfael, einen Faden ergreifend, der ihm bisher entgangen war, den er jetzt aber als sehr dünn erkannte. »Am Ende einer solchen Reise, und ihr aus Frankreich zugeschickt? Sicher, wenn er ihr tatsächlich Geld zukommen lassen wollte, hätten es schon englische Münzen sein müssen. Es ist denkbar, daß er sie für einen solchen Zweck in Reserve gehalten hatte, als er erkrankte. Nein, nichts ist gewiß, alles gleitet einem durch die Finger.«
Hugh erhob sich entschlossen. »Kommt, wir wollen gehen und zusehen, was wir aus Master Conan herausholen können, bevor er uns auch durch die Finger geglitten ist.«
Conan saß in seiner steinernen Zelle und musterte sie vom Moment ihres Eintretens an argwöhnisch und verschlagen. Er bekam frische Luft durch einen Fensterschlitz, hatte ein hartes, aber erträgliches Bett, ausreichend Essen und keine Arbeit und gewöhnte sich gerade an die – zuerst überraschende –
Tatsache, daß niemand daran interessiert war, ihn zu mißhandeln; dennoch war er immer nervös und ängstlich, wenn Hugh erschien. In seinem Bestreben, sich von dem Mordverdacht zu befreien, hatte er so viele Lügen vorgebracht, daß es ihm jetzt schwerfiel, sich genau an das zu erinnern, was er gesagt hatte, und er fürchtete, sich in einer noch engeren Schlinge zu verfangen.
»Conan, mein Junge«, sagte Hugh, der entschlossenen Schrittes hereingekommen war, »da ist noch eine kleine Sache, in der Ihr mir helfen könntet. Ihr wißt über fast alles Bescheid, was im Hause des Girard von Lythwood vor sich geht. Ihr kennt die Schatulle, die Fortunata aus Frankreich mitgebracht wurde.
Beantwortet mir ein paar Fragen darüber, aber diesmal ohne Lügen. Erzählt mir von der Schatulle. Wer war dabei, als sie ins Haus gebracht wurde?«
Nervös wegen dieser und überhaupt jeder Abschweifung, die er nicht verstand, erwiderte Conan vorsichtig: »Da waren Jevan, Dame Margaret, Aldwin und ich. Und Elave! Fortunata war nicht dabei, sie kam erst später.«
»Wurde die Schatulle zu dieser Zeit geöffnet?«
»Nein, die Herrin sagte, das sollte erst geschehen, wenn Master Girard wieder zu Hause war.« Wortkarg, solange er nicht wußte, woher der Wind wehte, fügte Conan dem nichts hinzu.
»Also hat sie sie weggestellt? Und habt Ihr gesehen, wohin?
Redet, Mann!«
Er wurde immer nervöser. »Sie stellte sie in einen Schrank, auf eines der oberen Borde. Das haben wir alle gesehen.«
»Und der Schlüssel, Conan? War der Schlüssel dabei? Und wart Ihr nicht neugierig? Wolltet Ihr nicht wissen, was sich darin befand? Hat es Euch nicht in den Fingern gejuckt, noch bevor die Nacht hereingebrochen war?«
»Ich habe mich nie daran zu schaffen gemacht!« rief Conan erschrocken und abwehrend. »Nicht ich war es, der seine Nase hineingesteckt hat! Ich bin nicht einmal in die Nähe von dem Ding gekommen.«
So einfach war das! Hugh und Cadfael wechselten einen Blick verblüffter Befriedigung. Man brauchte nur die richtigen Fragen zu stellen, dann lag der Weg offen vor einem. Sie trieben den schwitzenden Conan fast freudig weiter in die Enge.
»Wer war es dann?« fragte Hugh.
»Aldwin! Der steckte seine Nase in alles. Er hat nie etwas mitgehen lassen«, sagte Conan fieberhaft, verzweifelt bemüht, die Pfeile des Verdachtes um jeden Preis von sich abzulenken, »aber er konnte es nicht ertragen, nicht Bescheid zu wissen. Er hatte immer Angst, daß etwas gegen ihn im Busche war. Ich habe das Ding nicht angerührt, aber er hat es getan.«
»Und woher wißt Ihr das, Conan?« fragte Cadfael.
»Er hat es mir erzählt, später. Aber ich habe sie gehört, unten in der Diele.«
»Und wann war das, als ihr sie gehört habt – unten in der Diele?«
»Am gleichen Abend.« Conan holte tief Luft und begann, sich wieder etwas sicherer zu fühlen, da doch nichts von alledem in seine Richtung zu deuten schien. »Ich ging zu Bett und ließ Aldwin unten in der Küche zurück, aber ich habe noch nicht geschlafen. Ich habe nicht gehört, daß er in die Diele gegangen war, aber plötzlich hörte ich, wie Jevan ihn vom oberen Ende der Treppe aus anschrie: ›Was machst du da?‹ und dann hat Aldwin, unten, ganz schnell gesagt, er hätte sein
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