Der Killer im Lorbeer
schön.« Seufzend hebe ich die Arme, präsentiere meine Muskeln, ziehe den Bauch ein und gröle. Der adelige Tarzan bringt Rosy zum Lachen. Jetzt darf ich unter die Decke. Wir kuscheln uns aneinander, liegen einfach nur so da.
»Die Napfschildlaus hat keine Flügel.« Ich küsse Rosys Hals. »Sie überzieht Blätter und Äste des Lorbeers mit einer wachsartigen Wolle. Dabei scheidet sie Kot aus, der auf den Ästen haftet und die Sonnenstrahlen abhält.«
»Faszinierend.« Sie erwidert meine Küsse. »Jetzt halt die Klappe.«
Im Dunklen sind Rosys Augen auf mich gerichtet. Ich erkenne die Silhouette ihres Haares, der Arme, die sie auf meine Schultern stützt. Nach einer Weile geschieht etwas, das wir länger nicht mehr erlebt haben. Wir verlieren uns. Ich schalte meine Gedanken an die Napfschildlaus aus, Rosy scheint den tieferen Sinn unserer Übung zu vergessen. Die Nacht bedeckt uns. Wir sind nicht länger ein friedliches Pärchen, wir sind zwei Tiere, die sich paaren. Wollüstig treiben wir dahin. Als ich schneller keuche, presst mich Rosy eisern an sich. Sie hat es nicht vergessen, sie verbindet das Angenehme mit dem Praktischen.
Danach liegen wir beisammen und lauschen, wie unser Atem sich beruhigt.
»Ich liebe dich, Arthur.«
»Ich liebe dich, meine Schwertlilie.« Ich lecke das Salz von ihrem Hals.
»Hat das Biest denn keine natürlichen Feinde?« Sie kuschelt sich in meinen Arm.
»Feinde, was?«
»Dein Killer.«
Ich hatte die Schildlaus fast vergessen. »Doch. Marienkäfer und Schlüpfwespen. Aber bei der Katastrophe im Lorbeer bräuchte ich Heerscharen von Marienkäfern. Ein einziges Weibchen der Napfschildlaus legt bis zu 3000 Eier.«
»Beneidenswert.« Rosy gähnt.
»Wann musst du morgen raus?«
»Wie gewöhnlich.«
»Könntest du einen Blick in den Garten werfen, bevor du fährst?«
»Na klar.«
»Ich fürchte, der Killer treibt mich schon im Morgengrauen aus dem Bett.«
»Mich meiner auch.« Rosy küsst mich.
Ich schaue an die Decke. Trotz Dunkelheit zeichnet sich der tragende Balken ab. »Als Erstes setze ich die Brennnesseljauche an. Leider werde ich die Ameisen auch vernichten müssen. Die verschleppen sonst die jungen Läuse auf andere Gewächse.«
Rosemarys gleichmäßige Atemzüge machen mir klar, dass ich mit mir selbst spreche.
W
enige Stunden später schlingt Rosemary meine selbst gebackenen Waffeln hinunter. Ohne ein Wort des Lobes schlüpft sie in die Lederjacke.
»Kommst du?« Sie nimmt die Hintertür in den Garten.
Ich werfe die Hausschuhe ab und schlüpfe in die Plastikpantoffeln, die ich bei kurzen Gartenbesuchen trage, wenn ich das Glashaus lüfte oder den Rasensprenger weiterrücke. Unsere Schritte hallen auf der Wendeltreppe. Die Außentür klemmt, ich drücke sie mit der Schulter auf.
Es ist ein stiller, verheißungsvoller Tagesbeginn. Am liebsten würde ich mich mit Rosy auf die Nussholzbank zwischen den Heckenrosen setzen und zusehen, wie die Sonne den Phlox zum Leuchten bringt, wie sie die Stämme des Rittersporns in glitzernde Lanzen verwandelt. Mein Lorbeergarten erscheint mir dagegen wie eine Wunde, der Weg dorthin ist mir zuwider. Rosy eilt mit großen Schritten auf das Topiari zu. Wir treten durch das Buchentor. Auf den nächsten Metern bleibt sie stehen.
»Lieber Gott.«
Für die Kommissarin gehören Leichenfunde zum Berufsalltag. Wenn in der Grafschaft jemand eines unnatürlichen Todes stirbt, ist es häufig Rosy, die sich über das Opfer beugt. Die hartgesottene Spezialistin ist erschüttert. »Das ist ein Gemetzel.«
Die Schneise des Todes, die gestern im vorderen Bereich des Formgartens haltmachte, setzt sich heute bis ins Zentrum fort. Die Hälfte des Lorbeers ist befallen. Das geschah innerhalb von 24 Stunden. Die Sträucher sehen aus, als hätte ein Giftgasangriff stattgefunden. Schlaff hängen die Blätter, rötlich verfärbt sind Äste und Stämme. Das Heimtückische daran ist, dass man den Verursacher nicht erkennt, er verbirgt sich auf der Unterseite der Blätter.
Rosy zieht einen Zweig hoch und greift sich ein paar Fliegenkinder. Das Insekt schwirrt nicht davon, sondern hüpft und springt, um Rosys tödlichem Daumen zu entkommen. Sie zerquetscht ein Dutzend Parasiten und sieht mich an.
»Wenn du den Rat eines Laien hören willst: Halte dich nicht mit sanften Vertilgungsmitteln auf.«
»Was meinst du damit?«
»Keine Brennnesseljauche.«
Mir sitzt ein Kloß im Hals.
»Man bekämpft Düsenjets nicht mit der Steinschleuder.« Sie zeigt
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